Berlin, São Paulo (epd). Rund neun Monate nach dem verheerenden Dammbruch einer Eisenerzmine in Brasilien haben fünf Angehörige von Todesopfern Anzeige gegen TÜV Süd gestellt. Sie werfen dem deutschen Zertifizierungsunternehmen fahrlässige Tötung, Privatbestechung, fahrlässiges Herbeiführen einer Überschwemmung sowie Verletzung der Aufsichtspflichten vor, wie die Menschenrechtsorganisation ECCHR (Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte) und das Hilfswerk Misereor am Donnerstag in Berlin mitteilten.
Bei dem Bruch eines Rückhaltebeckens in der Ortschaft Brumadinho im südöstlichen Bundesstaat Minas Gerais starben am 25. Januar 249 Menschen. 21 Menschen gelten noch als vermisst. Der TÜV Süd hatte noch im September 2018 in einem Gutachten die Stabilität des Damms attestiert.
Im Juli hatte bereits ein Gericht den Konzern Vale, der die Mine betreibt, verurteilt, für alle Schäden der Katastrophe aufzukommen. Die Konten von Vale in Höhe von mehr als 2,5 Milliarden Euro sind wegen etwaiger Schadensersatzzahlungen blockiert. Nach einer Übereinkunft mit der Staatsanwaltschaft muss Vale neben Entschädigungen auch Pensionen für Angehörige bis zum 75. Lebensjahr zahlen. Außerdem wurde der Konzern zur Zahlung einer "kollektiven Wiedergutmachung" von etwa 90 Millionen Euro verpflichtet. Das Geld soll für die Beseitigung der Umweltschäden und zum Wiederaufbau verwendet werden.
"Der Dammbruch war kein Unfall - er war ein Verbrechen", erklärte Marcela Nayara Rodrigues, deren Vater bei dem Dammbruch umkam und die die Anzeige mit vier weiteren Angehörigen erstattete. "TÜV Süd wusste, dass der Damm ein Sicherheitsrisiko barg, trotzdem wurde die Stabilitätserklärung ausgestellt." Das Verfahren in Deutschland solle Vale nicht aus der Verantwortung entlassen, erklärte Claudia Müller-Hoff vom ECCHR. "Der Fall zeigt: Das System der Zertifizierungen sorgt nicht für Sicherheit, sondern vor allem für eine Verschleierung von Verantwortlichkeiten."
TÜV Süd hatte ein Gutachten ausgestellt, das Grundlage für den Weiterbetrieb der Mine war, obwohl deren Ingenieure zuvor auf die mangelnde Stabilität des 85 Meter hohen Damms hingewiesen hatten. Demnach gab es Probleme mit dem Drainagesystem. Die Ingenieure hatten darauf hingewiesen, dass zu viel Wasser im Damm war und deshalb die Stabilität gefährdet gewesen sei, wie brasilianische Medien unter Berufung auf polizeiliche Vernehmungsprotokolle berichteten.