Augsburg (epd). Nach Ansicht des Tenors Jonas Kaufmann sind nach den Skandalen um sexuelle Belästigungen glaubhafte Liebesszenen auf der Opernbühne inzwischen "ein sehr schmaler Grat". "Für Regisseure ist es komplizierter geworden, Liebesszenen zu inszenieren", sagte der 50-Jährige der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstag). "Wenn früher einer zu weit gegangen ist, wurde das vielleicht dadurch geregelt, dass er in der Probe eine Ohrfeige bekommen hat", sagte der Startenor: "Jetzt muss ein Regisseur extrem viel darüber nachdenken, was er vermitteln darf, ohne seine Darsteller zu Anzüglichkeiten zu verleiten."
Tatsächlich sei sexuelle Belästigung im Opern- und Klassik-Metier lange Realität gewesen, sagte Kaufmann: "Sicher hat es die berühmt-berüchtigte Besetzungscouch in manchem Büro gegeben - über Jahrzehnte hinweg. Das ist ein dunkles Kapitel."
Zu den Vorwürfen gegen seinen Kollegen Plácido Domingo sagte Kaufmann: "Ich kann mich dazu nicht äußern, denn ich war ja nicht dabei." Er persönlich schätze Domingo als Freund und Kollegen, den er nicht zuletzt für dessen Verdienste verehre. "Und wenn eine einmalige Karriere wie seine auf solche Weise zu Ende gehen soll, dann macht mich das ebenso traurig wie nachdenklich", fügte Kaufmann hinzu.