Tunis (epd). Der parteilose Jurist Kais Saïed wird voraussichtlich neuer Präsident in Tunesien. Die beiden Umfrageinstitute Sigma und Emrhod sahen den 61-Jährigen am Montag mit über 70 Prozent der Stimmen klar vorne. Offizielle Ergebnisse wurden für Montagabend oder Dienstag erwartet. Saïed dankte in einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Tunis den Wählern und versprach, der Präsident aller Bürger sein zu wollen. Der pensionierte Juradozent vertritt gesellschaftlich konservative Positionen und plant die Einführung eines dezentralen, basisdemokratischen Regierungssystems.
Nachdem am Sonntag erste Prognosen veröffentlicht wurden, hatten die Menschen in mehreren Städten des Landes spontan mit Autokorsos und Feuerwerken den Sieg Saïeds gefeiert. Der Jurist hat seinen Wahlkampf ohne Partei im Hintergrund und mit einfachsten Mitteln geführt. Die Tunesier hätten der ganzen Welt eine Lektion erteilt, sagte er. "Es ist eine Revolution im Rahmen einer demokratischen Verfassung und in völliger Legalität."
Wie im ersten Wahlgang, in dem Saïed 18,4 Prozent der Stimmen erhalten hatte, stimmten vor allem junge Wähler für ihn. Ersten Umfragen zu Folge entschieden sich 90 Prozent der 18- bis 25-jährigen Wähler für ihn. Gegenkandidat Nabil Karoui, der den Prognosen zufolge klar unterlag, kritisierte, er habe keinen Wahl führen können. Karoui war seit Ende August wegen Vorwürfen wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft und erst am Mittwoch freigekommen. Es ist möglich, dass er das Ergebnisse anfechten wird.