München (epd). Angesichts der dramatischen Lage in den Flüchtlingszentren in Griechenland wirft der Soziologe Jean Ziegler (85) der EU in einem dringenden Appell vor, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. In Griechenland würden die Rechte vieler Tausend Menschen verletzt, sagte der Schweizer in einem Interview des katholischen "missio magazins".
Unabhängig von einer Bleibeperspektive in der EU sei es laut Genfer Flüchtlingskonvention ein universelles Menschenrecht, zumindest ein Asylgesuch einzureichen. Doch von der Ankunft auf den griechischen Inseln bis zur ersten Asylanhörung vergingen oft bis zu eineinhalb Jahre. "Das ist eine systematische Verweigerung des Asylrechts", sagte Ziegler, der Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrats für das Recht auf Nahrung war.
Ziel der EU sei eine "reine Abschreckungspolitik". Diese Strategie sei nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch wirkungslos. Bedrohte Familien in den Kriegs- und Krisengebieten Syriens und Afghanistans ließen sich dadurch nicht von einer Flucht nach Europa abhalten, warnte Ziegler. Auf den griechischen Inseln sind nach EU-Angaben von Ende September mehr als 30.000 Flüchtlinge. Hilfswerke beklagen katastrophale Zustände.