Die Bundesanwaltschaft sieht die Tat rechtsextremistisch und antisemitisch motiviert - auch das Bekennervideo sei eindeutig antisemitisch und rechtsextremistisch. Der Generalbundesanwalt hatte nach den tödlichen Schüssen rasch die Ermittlungen übernommen. Hintergrund sei, dass es sich um Mord handele und der Fall eine besondere Bedeutung habe, weil die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen sei, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.
Der Täter hatte es an einem der höchsten jüdischen Feiertage, Jom Kippur, offenbar auf die jüdische Gemeinde abgesehen, die sich in der Synagoge der Innenstadt in Halle versammelt hatte. Eine Sicherheitstür hatte ihn davon abgehalten, in die Synagoge einzudringen. Daraufhin erschoss er eine Frau in der Nähe auf der Straße und einen Mann in einem Döner-Laden.
Die Stadt in Sachsen-Anhalt war nach dem gewaltsamen Tod der zwei Menschen am Mittwoch im Ausnahmezustand. Die Bevölkerung in Halle war am Mittwoch vorübergehend aufgerufen worden, Wohnungen und Gebäude nicht zu verlassen. Schon am frühen Nachmittag vermeldete die Polizei die Festnahme des 27-jährigen Mannes. Am Abend wurde die Gefährdungslage aufgehoben.
Bestürzung in Politik und Gesellschaft
Laut Ermittlungen der Bundesanwaltschaft hat der Mann einen rechtsextremistischen und antisemitischen Hintergrund. Die Wohnungsdurchsuchung am Donnerstagmorgen hatte diesen bereits am Vorabend ausgesprochenen Verdacht erhärtet, wie ein Sprecher mitteilte.
In Politik und Gesellschaft sorgte die Tat für Bestürzung. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der im benachbarten Leipzig die Gedenkveranstaltungen zum 30. Jahrestag der friedlichen Revolution besuchte, sagte dort: "Aus einem Tag der Freude ist ein Tag des Leids geworden." Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte: "Ich bin es leid, immer wieder entsetzt und erschüttert sein zu müssen."
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sagte, die Tat sei auch ein feiger Anschlag auf das friedliche Zusammenleben im Land: "Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer."
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Die Tat an diesem Feiertag "hat unsere Gemeinschaft auf das Tiefste in Sorge versetzt und verängstigt", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster.
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Donnerstag): "Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen." Der oder die Täter hätten außerdem versucht, das Tor des jüdischen Friedhofs aufzuschießen, sagte er.
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Solidarität mit Opfern und Angehörigen sowie Entsetzen über die Taten sind auch die Reaktionen aus den Kirchen. "Die Attacke auf die Synagoge in Halle ist abscheulich und unerträglich", sagte der Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, am Mittwoch in Magdeburg. Sein katholischer Amtskollege Gerhard Feige übermittelte von einer Konferenz in Bosnien-Herzegowina Bestürzung: "Es ist eine menschliche Katastrophe, dass Juden in Deutschland nicht in Frieden leben und den Versöhnungstag Jom Kippur feiern können." Die Katholiken seines Bistums trauerten mit den jüdischen Nachbarn. Der evangelische Bischof Kramer sagte, alle Menschen guten und friedlichen Willens seien aufgerufen, "einem Klima des Hasses und jeglicher Gewalt entgegenzutreten".
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"Ich bin entsetzt und fassungslos angesichts dieser Gräueltat", erklärte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm. "Wir sind den Juden in unserem Land, unseren Schwestern und Brüdern, gerade in diesen Stunden eng im Gebet verbunden", betonte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx.
In einem Friedensgebet gedachten circa 40 Christinnen und Christen am Mittwochabend in der Marktkirche Halle der Opfer und Angehörigen der jüngsten Gewalttaten in der Innenstadt.
Superintendent Hans-Jürgen Kant erklärte: „In dieser Stunde stehen wir zutiefst erschrocken und traurig an der Seite der Menschen, die einen lieben Angehörigen oder Freund so grausam verloren haben. Wir denken an die jüdische Gemeinde hier im Paulusviertel und bitten Gott, dass er uns stärkt in unserem Bemühen um Frieden und in unserem Engagement für eine weltoffene, demokratische Gesellschaft.“
Gebete und Andachten gab es unter anderem auch in der Johanneskirche sowie in der Stadt Landsberg, in die der Täter nach unbestätigten Medienberichten nach den Schüssen in Halle mit dem Auto geflüchtet war. Er soll dort in einer Autowerkstatt mehrere Menschen bedroht und sich ein neues Fluchtauto besorgt haben.
Innenminister Horst Seehofer reist noch heute nach Halle. Er will an der Synagoge mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, Landesinnenminister Holger Stahlknecht und dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, zusammentreffen.
Anschließend ist ein Besuch des Döner-Imbisses geplant, in dem gestern ein Mann erschossen worden war. Um 15.00 Uhr ist eine gemeinsame Pressekonferenz in der Polizeiinspektion Halle geplant. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will noch heute die Synagoge besuchen.