Dabei wäre zum Beispiel die Vereinigungskriminalität ein spannender Filmstoff; der Schaden, der dem Staat durch Betrug im Rahmen der Währungsunion entstanden ist, wird auf immerhin 20 Milliarden D-Mark geschätzt. Das Thema, das sich Drehbuchautor Ralf Kinder für die vierte Episode der ARD-Krimireihe "Die Füchsin" vorgenommen hat, ist also schon mal interessant.
Ungewöhnlich ist allerdings der Weg, den der Film zunächst einschlägt, denn die Handlung beginnt am Vorabend einer deutsch-arabischen Hochzeit. Auf Titelheldin Anne Marie Fuchs (Lina Wandel), in einem früheren Leben Mitarbeiterin des Auslandsnachrichtendienstes der Staatsicherheit und heute Düsseldorfer Privatdetektivin an der Seite ihres jüngeren Kompagnons Youssef (Karim Chérif), macht die Braut einen eher traurigen Eindruck, und das hat seinen Grund: Jamila (Nagmeh Alaei), Youssefs Cousine, ist die Tochter eines aus Marokko stammenden Gemüsegroßhändlers, der sie kurzerhand mit dem Sohn seines Geschäftspartners verheiraten will. Der Abend nimmt eine unerwartete Wende, als vermummte Gestalten auftauchen und den Bräutigam verprügeln. Dessen Vater, Henning Frahm (Hanno Friedrich), beauftragt das Detektivduo, herauszufinden, wer die mutmaßlich gedungenen Schläger beauftragt hat. Die Recherchen führen umgehend zu Jamilas Geliebtem, Patrick, aber der kann keine Auskunft mehr geben. Jamila und ihr Onkel engagieren Anne Marie und Youssef mit der Suche nach dem Mörder. Patrick hat in Frahms Unternehmen gearbeitet und wollte dort angesichts der miserablen Arbeitsbedingungen einen Betriebsrat gründen.
Bis hierhin hat die Geschichte natürlich noch nichts mit der Vereinigungskriminalität zu tun. Das ändert sich, als die Detektive einen dritten Auftraggeber bekommen: Der Besitzer einer Edelstahlfabrik will ebenfalls wissen, wer Patrick auf dem Gewissen hat. Kurz drauf wird der Mann, ein überzeugter Kommunist, ermordet. Es stellt sich raus, dass er 1990 im Auftrag der SED mehrere Millionen Mark investieren sollte. Natürlich ist der Fall jetzt endgültig mehr als bloß eine Geschichte über Eifersucht. Trotzdem bewegt sich die Handlung auch weiterhin im Rahmen der Reihe, was fast ein bisschen schade ist, weil das Thema das Potenzial für einen eigenen Wirtschafts-Thriller hätte.
Stattdessen verwendet Kinder, der bislang alle Bücher für "Die Füchsin" geschrieben hat, viel Zeit für die andere Ebene: Jamila findet Zuflucht bei Youssef und seiner Frau (Jasmin Schwiers), was Youssef einigen Ärger mit seiner Familie bringt. Deren Mitglieder geraten allerdings etwas klischeehaft, und auch sonst ist "Im goldenen Käfig" – der Titel bezieht sich auf Jamilas allzu wohlbehütetes Dasein – nicht in jeder Hinsicht gelungen. Das Tempo des Films ist überschaubar, die Spannung hält sich ebenfalls in Grenzen; Regie führte Sabine Derflinger, die auch die letzte Folge ("Spur in die Vergangenheit") inszeniert hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Eher kontraproduktiv ist zudem der durch die bisherigen Episoden gesetzte heitere Tonfall. Youssef reagiert zwar längst nicht mehr so sensibel auf vermeintliche oder echte Vorurteile, aber Karim Chérif muss die Figur trotzdem nach wie vor tendenziell komisch anlegen und immer wieder für kleine Humoresken sorgen. Ebenfalls eher heiter konzipiert ist Youssefs technisch brillante Nichte Saida (Sara Fazilat), für ein Datensicherungssystem nie eine Hürde darstellt. Die kleinen Wortgefechte mit ihrem Onkel sind zwar ganz amüsant, aber über der Figur schwebt unsichtbar die Vorgabe "vollschlanke Frauen müssen lustig sein".
Ähnlich unentschlossen ist die Rolle des Kommissars (Robert Dölle): Das Ermittlerduo ist ihm stets einen Schritt voraus, weshalb der Polizist regelmäßig gelackmeiert wirkt; andererseits gibt es einen innigen Moment, als er die Agentin nach dem Gerichtsurteil gegen ihren Sohn tröstend in den Arm nimmt. Diese Szene ist Teil des horizontalen Erzählstrangs. Im letzten Film hat die "Füchsin" nach dreißig Jahren den todgeglaubten Florian (Florian Bartholomäi) wiedergefunden, aber nun steht der junge Mann wegen Mordes an seinem Vater vor Gericht. Die Besuche der Mutter im Gefängnis sind jedoch nicht flüssig in die restliche Handlung integriert und wirken daher wie ein Fremdkörper.