Tunis (epd). In Tunesien sind an diesem Sonntag rund sieben Millionen Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Dabei sind keine klaren Mehrheiten zu erwarten. Unabhängige Listen befinden sich in vielen Wahlkreisen im Aufwind.
Offizielle Umfragen waren im Wahlkampf verboten. Es wird jedoch erwartet, dass die etablierten Parteien mit teils herben Verlusten rechnen müssen. Dies zeigte sich bereits in der Kommunalwahl von 2018 und in der ersten Runde der Präsidentenwahl Mitte September. Schwierige und langwierige Koalitionsverhandlungen werden die Folge sein.
In der personalisierten Verhältniswahl bestimmen die Wählerinnen und Wähler in 33 Wahlkreisen 217 Abgeordnete. Darunter sind sechs Auslandswahlkreise. Eine Woche später, am 13. Oktober, findet zudem die Stichwahl um die Präsidentschaft statt - zwischen dem parteilosen Jura-Dozenten Kaïs Saïed und dem Medienmogul Nabil Karoui, der wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft sitzt.
Nach der Verfassung von 2014 bestimmt das Parlament den Premierminister, der die meisten Regierungsaufgaben übernimmt. Der Präsident gibt allerdings die Leitlinien der Außen- und Verteidigungspolitik vor.
Tunesien ist das einzige Land, das durch den "Arabischen Frühling" seit 2011 eine demokratische Entwicklung genommen hat. Mit den Reformen ging aber kein dauerhafter Wirtschaftsaufschwung einher. In der Handelsbilanz klafft ein großes Defizit. Die elf Millionen Tunesier leiden unter hohen Inflationsraten und einer Jugendarbeitslosigkeit von 34 Prozent.