Berlin (epd). Der Arbeitgeberverband Pflege geht juristisch gegen die Besetzung der neuen Kommission für einen Pflegemindestlohn vor. Der Verband, der nach eigenen Angaben die umsatzstärksten Firmen in der Pflegewirtschaft in Deutschland repräsentiert, stört sich an der Präsenz der Kirchen in der Kommission. Bei vier Arbeitgebervertretern in der Kommission hätten die Kirchen heute schon zwei Plätze garantiert, dies übersteige ihren Marktanteil, erklärte Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbandes. In seinem Statement heißt es, dass ein kirchlicher Träger nun noch einen weiteren Platz erhalten solle. Das Bundesarbeitsministerium widerspricht allerdings.
Nach Angaben eines Ministeriumssprechers sollte am Montag die erste Sitzung der neuen Pflege-Mindestlohn-Kommission stattfinden, in der Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern die neue Lohnuntergrenze für die Branche aushandeln sollen. Die derzeitige Vereinbarung endet mit dem 30. April 2020. Weil die Kirchen zu den größten Arbeitgebern in der Branche zählen und eigene arbeitsrechtliche Regelungen haben, haben sie auf Arbeitgeber- und -nehmerseite je zwei der pro Seite vier Sitze.
In der neuen, inzwischen vierten Pflege-Mindestlohn-Kommission bleibt auf der Arbeitgeberseite neben den beiden Sitzen der kirchlichen Verbände Diakonie und Caritas ein Platz beim Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienst (BPA), einem Mitbewerber des Arbeitgeberverbands Pflege. Der vierte Platz ging - auf Vorschlag der freigemeinnützigen Träger - an den AWO Bundesverband, wie das Ministerium auf Nachfrage mitteilte.
Die Besetzung dieses Platzes wurde nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums vom Diakonischen Dienstgeberverband Niedersachsen unterstützt, der im Mai gemeinsam mit AWO und Arbeiter-Samariter-Bund den bundesweiten Arbeitgeberverband BVAP gegründet hatte. Der Dienstgeberverband habe damit aber keinen eigenen Platz bekommen, betonte der Ministeriumssprecher und widersprach damit dem klagenden Verband.
Der Arbeitgeberverband Pflege, der vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen das Besetzungsverfahren klagen will, wollte selbst einen Vertreter in die Kommission entsenden, wie Geschäftsführerin Isabell Halletz auf Nachfrage bestätigte. Der Verband war leer ausgegangen, nachdem es mehr Bewerbungen als Plätze in der Kommission gab.
Verbandspräsident Greiner sagte zu der von ihm befürchteten "Übermacht" der Kirchen in der Kommission, gegen sie könne dann nichts beschlossen werden. "Was die Privaten oder freigemeinnützigen Wettbewerber bezahlen müssen, hängt somit von der Gnade der Kirchen ab", sagte er. Jörg Kruttschnitt vom Vorstand der Diakonie Deutschland entgegnete: "Es ist richtig, dass sich die Kirchen für eine faire Bezahlung von Pflegekräften einsetzen." Die Privaten hätten dabei Nachholbedarf. Die Besetzung der Kommission kommentierte Kruttschnitt nicht. Darüber entschieden die zuständigen Stellen.
Die Klageankündigung hat nach Angaben des Ministeriums erst einmal keine Auswirkungen auf die Arbeit der Kommission. Ein Aussetzen könne erst dann erforderlich werden, "wenn das zuständige Verwaltungsgerichts Berlin - wider Erwarten - dies verlangt", sagte der Sprecher.
Auf der Arbeitnehmerseite der Kommission sitzen zwei Vertreter von ver.di sowie jeweils ein Vertreter der Dienstnehmerseite von Caritas und Diakonie. Derzeit gilt in der Pflege ein Mindestlohn in Höhe von 11,05 Euro pro Stunde im Westen, 10,55 Euro im Osten. Zum 1. Januar steigt er auf 11,35 beziehungsweise 10,85 Euro pro Stunde.
Insgesamt arbeiten in der Pflege laut Bundesagentur für Arbeit 1,6 Millionen Menschen. Diakonie und Caritas sowie die gemeinnützigen Träger, zu denen auch die AWO gehört, versorgen trotz des weiter steigenden Marktanteils der privaten Anbieter noch immer mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen in Heimen und zu Hause. Sie beschäftigen auch die meisten Arbeitnehmer.
epd co/kfr mih