Dubai, Kabul (epd). Millionen Menschen in Afghanistan haben am Samstag den Drohungen der radikal-islamischen Taliban getrotzt und ihre Stimme bei der Präsidentenwahl abgegeben. Die Abstimmung fand unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Bei Explosionen vor mehreren Wahllokalen wurden mindestens drei Menschen getötet und mehr als zwei Dutzend verletzt, wie der TV-Sender Tolo News berichtete. Größere Anschläge, wie von den Taliban angedroht, gab es zunächst nicht.
Vor drei Wochen waren die Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban gescheitert. Die Gewalt nahm zu. Allein in der Hauptstadt Kabul waren am Wahltag 30.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, viele Straßen waren gesperrt. Die Wahlergebnisse werden für den 30. Oktober erwartet. Wenn keiner der 16 Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht, wird eine Stichwahl fällig.
Es war die vierte Präsidentenwahl in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban 2001. Als Favorit galt Staatschef Aschraf Ghani (70), der sich für eine zweite Amtszeit bewarb. Sein wichtigster Herausforderer war Abdullah Abdullah (59), der als Geschäftsführer der Regierung amtiert. Ghani und Abdullah hatten nach der chaotischen Wahl 2014, die von Manipulationsvorwürfen begleitet war, auf Drängen der USA eine Einheitsregierung gebildet.
Ghani gab in der Amani-Oberschule in Kabul seine Stimme ab. "Ich danke allen Afghanen für ihren Einsatz für die Demokratie und für ein blühendes und eigenständiges Afghanistan", sagte er. Auch Abdullah pries das Engagement der Bürger, die trotz der Drohungen der Taliban an der Wahl teilnahmen.
Mehr als 9,6 Millionen Afghanen waren wahlberechtigt. Nach Angaben der Wahlkommission waren am Samstag um die 4.500 Wahllokale geöffnet, mehr als 2.000 blieben aus Sicherheitsgründen geschlossen. Insgesamt waren 72.000 Sicherheitskräfte am Wahltag im Einsatz. Etwa die Hälfte des Landes wird von den Taliban kontrolliert.
In mehr als 200 Wahllokalen konnte nicht gewählt werden, weil Stimmzettel und anderes Material fehlte. Wegen der Drohungen der Taliban wird mit einer niedrigen Wahlbeteiligung gerechnet. Zudem herrscht Unmut über die schlechte Wirtschaftslage und die weit verbreitete Korruption.
Der frühere afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta warnte vor einer massiven Einmischung bei der Wahl. Präsident Ghani kontrolliere alle staatlichen Institutionen - inklusive der Wahlkommission - und werde es so gestalten, dass er spätestens nach der zweiten Wahlrunde als Sieger dastehe, sagte Spanta im Deutschlandfunk.
Viele Menschen hätten erwartet, dass die Wahlen zugunsten der Konzentration auf den Friedensprozess verschoben wird. Wirtschaftlich, sozial und bezüglich der Sicherheitslage gebe es einen negativen Trend seit der Präsidentenwahl 2014. Alles deute darauf hin, dass das Demokratieprojekt in Afghanistan gescheitert sei, sagte Spanta.