Die Frage des rechten Maßes im Fleischkonsum sei zu einer Schlüsselfrage sowohl der Weltgesundheit als auch der ökologischen Tragfähigkeit der Erde geworden, heißt es in dem EKD-Text. Die Ernährungswende mit einem Rückgang des weltweiten Fleischkonsums stehe einem "zivilisatorischen Umlernprozess" in nichts nach, der dem Prozess der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft - also der Schaffung einer kohlenstofffreien Wirtschaft - gleiche, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm im Vorwort.
Gegenwärtig werde weltweit wie auf nationaler Ebene viel zu viel und viel zu billiges Fleisch unter geringen Tierwohlstandards produziert, erklären die Autoren. Sie fordern daher unter anderem eine Anpassung der EU-Handelspolitik im Hinblick auf Fleischexporte und Futtermittelimporte.
Weniger Fleisch
Ausmaß und Umfang des Fleischkonsums in Deutschland und anderen Ländern seien nicht mehr zukunftsfähig und verantwortbar, sagte Mitautor Dietrich Werner vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung. Im Schnitt verbrauchten die Deutschen pro Kopf und Jahr 60 Kilogramm Fleisch, die Empfehlung liege bei 20 Kilogramm für Frauen, 30 für Männer, erläuterte Maren Heincke, die Referentin für den ländlichen Raum der hessen-nassauischen Kirche ist. "Wir befinden uns im Überkonsum", sagte sie. Mit dem Papier solle deutlich werden, dass nicht nur Tiere und Umwelt Schaden nehmen, wenn das "rechte Maß" verloren geht, sondern auch die eigene Gesundheit.
Auch vor dem Hintergrund der Klimadebatte sei das Thema Tierwohl höchst aktuell, sagte der Kammer-Vorsitzende Uwe Schneidewind bei der Vorstellung des Papiers in Berlin. Die evangelische Kirche wolle bei diesem Thema als Mittler auftreten, auf Interessenkonflikte hinweisen und trotzdem klare Orientierung geben, sagte er. Das Papier will nach seinen Angaben nicht zur Emotionalisierung beitragen. Bewusst werde etwa auf das Wort "Massentierhaltung" verzichtet. Bibelzitate in dem Papier sollen aber verdeutlichen, dass die Achtung für das Tier auch christlich begründet ist.
Mitgeschöpfe, keine Waren
Die Autoren empfehlen der Politik ebenfalls, etwas gegen die Marktkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel zu unternehmen. Die große Marktmacht der Abnehmer verstärke den Preisverfall für tierische Produkte. Wirtschaftlicher Spielraum für mehr Tierwohl bleibe nicht, und die Erzeuger erhielten keine fairen Preise. Die Autoren schlagen auch ein staatliches Tierwohl-Monitoring vor.
Es sei an der Zeit, eine "verdinglichende und mechanistische Sicht" auf das Mensch-Tier-Verhältnis hinter sich zu lassen, schreiben die Autoren. Das gelte auch für den landwirtschaftlichen Umgang mit Nutztieren. Ein Tier dürfe nicht ausschließlich unter seinem wirtschaftlichen Verwertungszweck als Verfügungsmasse für menschlichen Konsum und Handel gesehen werden. "
Als Mitgeschöpfe haben Tiere ihre eigene Schönheit, Würde und Lebenssinn", heißt es in dem Text der EKD-Kammer für nachhaltige Entwicklung, der im Mai vom Rat der EKD verabschiedet wurde. Fragen des Tierwohls und der Tierethik seien von hoher Bedeutung für die Kirche, da es um Grundfragen des Verhältnisses von Mensch und Tier gehe.