Lessing (Christian Ulmen) steht unter Mordverdacht und kommt in Untersuchungshaft. Ehefrau Dorn (Nora Tschirner), eigentlich befangen und daher von den Ermittlungen abgezogen, muss den wahren Mörder finden, denn die Indizien sprechen eindeutig gegen ihren Mann: Das Opfer, ein Schrotthändler, ist mit Lessings Dienstwaffe erschossen worden. Ein Motiv hätte der Kollege auch, zumindest nach Ansicht der Titelfigur: Eva Kern (Nina Proll) aus der Abteilung Interne Ermittlungen ist überzeugt, dass Lessing Selbstjustiz verübt hat. Kurz zuvor hatte er einen alten Fall gelöst und Schrottplatzbesitzer Knopp (Heiko Pinkowski) des Raubmords überführt. Vor Gericht hat Knopps Anwalt jedoch ein Alibi aus der Tasche gezaubert.
Die Vorlage stammt anders als die bisherigen Episoden erstmals nicht vom Duo Murmel Clausen und Andreas Pflüger. Als Verfasser nennt der Vorspann Sebastian Kutscher und Deniz Yildizr. Die Namen sind allerdings Pseudonyme; wer sich dahinter verbirgt, verrät der MDR nicht. Der Autorenwechsel erklärt allerdings, warum diesmal mehr der Krimi und weniger der Wortwitz im Vordergrund steht. Lessing ist für seine Verhältnisse geradezu maulfaul, was nicht zuletzt an der Umgebung liegt: In der U-Haft vergeht selbst ihm die Lust auf launige Sprüche. Damit der Markenkern erhalten bleibt, wurden Clausen und Pflüger, der letztes Jahr seinen Rückzug vom "Tatort" angekündigt hat, für die Dialoge engagiert, um auch den neunten "Tatort" aus Weimar zu einem großen Vergnügen zu machen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Neu sind nicht nur die Autoren, sondern auch die Regisseurin, mit deren Wahl der MDR durchaus ins Risiko gegangen ist: Helena Hufnagel hat bislang nur einen Langfilm inszeniert. Der war allerdings sehenswert: "Einmal bitte alles" lief 2018 im Rahmen der ARD-Reihe "Filmdebüt im Ersten" und war eine ebenso sehenswerte wie glaubwürdig authentisch gespielte Tragikomödie mit Luise Heyer über die "Generation Praktikum". Gemessen daran ist "Die harte Kern" naturgemäß ein völlig anderer Film, der aber nicht nur wegen der lässigen Inszenierung, sondern auch aufgrund der Bildgestaltung (Aline Laszlo) mit ihren kräftigen, satten Farben und dem reizvollen Technicolor-Licht sehenswert ist. Die große Stärke der Geschichte liegt in ihrem Thriller-Potenzial. Ein Verdächtiger muss seine Unschuld beweisen, weil ihm sonst eine lebenslange Haftstrafe droht: Die Handlung hätte sich auch als "echter" Krimi erzählen lassen.
Außerdem sorgen die Autoren dafür, dass die weiteren Mitglieder des Ensembles ebenfalls genug Spielmaterial haben. Streifenpolizist Lupo (Arndt Schwering-Sohnrey) will natürlich helfen, Lessing vor dem Gefängnis zu bewahren, ist aber schwer verliebt und hat keine Ahnung, wie sehr das eine mit dem anderen zusammen hängt. Nach Ansicht von Stich (Thorsten Merten), dem Chef der Mordkommission, geht es der Kollegin Kern in Wirklichkeit um Rache: weil einst ihm und nicht ihr die Leitung der Dienststelle übertragen worden ist. Nebenbei wird die Geschichte noch mit ein bisschen Esoterik gewürzt: Knopps Witwe (Julika Jenkins) ist überzeugt, dass die Statue einer indischen Gottheit des Unheils Schuld an dem ganzen Schlamassel ist.
Zuschauer mit reichlich Krimi-Erfahrung werden sich die Lösung allerdings früher als Lessing und Dorn zusammenreimen können, wenn auch weniger aufgrund ihres kriminalistischen Spürsinns: Tauchen im "Tatort" zu Beginn bekannte Gesichter auf, dann sicher nicht, um bloß zwei Sätze zu sagen und anschließend für den Rest der Handlung in der Versenkung zu verschwinden; erst recht nicht, wenn sie aufgrund eines etwas unglücklichen Besetzungszufalls bereits zum dritten Mal innerhalb weniger Monate zum Kreis der Verdächtigen gehören. Das Vergnügen an dem Film wird dadurch jedoch nicht getrübt, zumal es gegen Ende richtig spannend wird, obwohl sich das Ehepaar im Kriechgang eines gestohlenen zweisitzigen Duo-Dreirads fortbewegt: Erst befreit Dorn den Gatten aus dem Gefängnis, dann kommt es zum Showdown in der Schrottpresse. Und die rhythmische Musik (Tobias Kuhn, Markus Perner) im Tangerine-Dream-Stil ist auch ziemlich gut.