Tunis (epd). In Tunesien waren am Sonntag rund sieben Millionen Stimmberechtigte aufgerufen, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Unter den 26 Kandidaten und Kandidatinnen gab es keine klaren Favoriten, so dass eine Stichwahl wahrscheinlich ist. Die Abstimmung wurde nach dem Tod von Präsident Béji Caïd Essebsi im Juli vorgezogen. Ursprünglich war die Wahl für den November geplant.
Für das Amt des Staatschefs bewarben sich unter anderen der derzeitige Ministerpräsident Youssef Chahed von der Partei Tahya Tounes (Es lebe Tunesien) und der parteilose Verteidigungsminister Abdelkrim Zbidi. Die muslimisch-konservative Ennahdha-Partei schickt mit dem 71-jährigen Abdelfattah Mourou einen ihrer Gründerväter ins Rennen.
Als einzige Frau kann sich die Anwältin Abir Moussi Hoffnungen auf einen Einzug in die zweite Runde machen. Die Anhängerin des 2011 gestürzten Autokraten Zine El Abidine Ben Ali fordert die Rückkehr zu einem Präsidialsystem und will den Einfluss muslimischer Kräfte im Land massiv einschränken.
Der Medienmogul Nabil Karoui wurde kurz vor Beginn des Wahlkampfes wegen eines laufenden Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung verhaftet. Am Donnerstag trat er im Gefängnis in Hungerstreik. Seine Kandidatur bleibt gültig, solange er nicht rechtskräftig verurteilt wurde.
Tunesien gilt als einziges Land, das nach den Umbrüchen des Arabischen Frühlings 2011 eine demokratische Entwicklung genommen hat. Für den 6. Oktober sind Parlamentswahlen geplant. Das arabische Land mit elf Millionen Einwohnern leidet unter einer Wirtschaftskrise mit hohen Inflationsraten und einem hohen Haushaltsdefizit.