Viele Pilger erlebten den Pilgerweg "als einen Verwandlungsweg, der einen spirituellen Wandlungs- und Reifungsprozess anregt", sagt er. Pilgerbegleiter sollen sie in diesem Orientierungsprozess unterstützen und sind dabei "Bergführer, Seelsorger und Reiseregisseur gleichzeitig". Deshalb müsse eine gründliche und vielseitige Ausbildung das "Pilgerbegleiterhandwerk" vermitteln.
Packliste, Wegbeschaffenheit und Sinnsuche
Als Rist 2016 seine 50-Prozent-Projektstelle übernahm, hatte er zwölf Jahre Erfahrung als Begleiter von Pilgergruppen. Pilgerbegleiter bräuchten eigene Pilgererfahrung und Erfahrung in der Leitung von Gruppen, sagt er. Und sie müssten bereit sein, über sich hinauszuwachsen, Verantwortung wahrzunehmen und Neuland zu betreten. Pilgerbegleiter müssen zur Packliste Rat geben können, die Wegbeschaffenheit genau kennen und vor allem ein Gespür dafür haben, welche Wegmarken Menschen bei ihrer Sinnsuche im Innersten ansprechen können.
Rist beschreibt solch eine Situation beim Wandern über eine Autobahnbrücke: "Sieht man diese schnellen, endlosen Fahrzeugströme, dann stellt sich doch die Frage, wie man es selbst hält mit Entschleunigung, wie man zu sich finden kann, wohin die eigenen Wege führen."
Nicht nur auf dem großen Jakobsweg, sondern auch auf spirituellen Wanderwegen etwa im Nationalpark Schwarzwald sind Pilgerbegleiter im Einsatz. In Kooperation mit dem "Ökumenischem Netzwerk Kirchen im Nationalpark" erhalten dort im September schon zum zweiten Mal 16 Personen ihre Pilgerbegleiter-Zertifikate. Und für ehrenamtliche Mitarbeitende der Kirchen bei der die Remstal-Gartenschau hat er extra einen Schnellkurs konzipiert. Am 8. und 22. September laden die Ehrenamtlichen zu den letzten beiden Etappen des Gartenschau-Pilgerwegs ein.
Jürgen Rist schafft den frisch qualifizierten Absolventen seiner Pilgerbegleiter-Ausbildung Gelegenheit, sich in ihre Rolle einzuüben. Das geschieht etwa beim "Pilgern am Sonntag", das in diesem Herbst noch am 1. September und 6. Oktober stattfindet. Zudem bietet er ihnen Fortbildungen und arbeitet an Pilgerbegleiter-Netzwerken über den Südwesten hinaus. Noch ausbaufähig wäre seine Präsenz im Internet. "Dafür reicht im Moment einfach die Kapazität nicht", bedauert er.