Wenn Singles eine so inhomogene Versammlung sind, ist doch die Wahrscheinlichkeit, dass es ein gemeinsames Angebot für sie geben kann, sehr gering. Soll man dann nicht doch lieber sagen: Sucht euch was aus, was es schon gibt, und macht einfach mehr Werbung für die bisherigen Angebote?
Günter Kusch: Single sein ist eine Lebensphase, die jeder oder jede anders erlebt. Natürlich können Singles auch zu einem Kirchenkonzert gehen. Zu einem Familiengottesdienst, einem Tauferinnerungsfest oder auch zum Weihnachtsfest als Familienfest gehen sie eher selten. Deshalb: Mehr Angebote, die auf ihre Lebenssituation eingehen und diese ernst nehmen.
Andrea König: Beim Kirchentag in Dortmund gab es ein mittägliches Mittmachangebot für Singles, das erstmals erprobt wurde. Das entpuppte sich als absoluter Renner. Von Tag zu Tag strömten mehr Menschen zum Treffpunkt, so dass ein Umzug in ein benachbartes größeres Zelt erforderlich war, das dann wieder aus allen Nähten platzte. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sehr froh über unter anderem kleine spirituelle Mini-Impulse und genossen den Austausch untereinander und die Gemeinschaft. "Endlich mal ein Angebot für uns auf dem Kirchentag" - so der Satz, der immer wieder fiel. Auch wenn die Gruppe inhomogen ist, verbindet sie doch Vieles. Warum also nicht einfach mal ausprobieren.
Welche Überlegungen haben Sie denn bereits über Singles in der Stadt und Singles auf dem Land angestellt?
König: Da die Singlezahlen statistisch vom Bundesamt nur nach Einzelpersonenhaushalten erhoben werden, lässt sich nur sagen, dass die Singlehaushalte in den großen Städten enorm zugenommen haben. Wer allein lebt, ist aber nicht unbedingt Single. Single sein umfasst noch viel mehr. Um mal einen Überblick zu erhalten zu aktuellen - auch soziologischen - Fakten, haben wir extra mit Stephan Baas einen Experten eingeladen, der uns dazu auf den aktuellen Stand bringt. In der Stadt gibt es sicherlich mehr Angebote, aber auch eine höhere Anonymität als auf dem Land. Was wir im Gespräch mit Stephan Baas schon rausgefunden haben, ist auf jeden Fall, dass Singles - anders als vielleicht vermutet - mehrheitlich einen großen Bekanntenkreis haben und eher selten isoliert sind. Das ist spannend, denn das heißt, sie bewegen sich in ganz eigenen Netzwerken. Wo sie sich bewegen und darüber mit Singles ins Gespräch zu kommen, könnte sehr spannend sein.
Welche "Erfolge" können denn die Church of England oder das Singlepastoral in Köln schon vorweisen, die sich ja schon etwas länger des Themas Singles annehmen. Gibt es konkrete Angebote, und wie lange bestehen sie bereits?
Kusch: Der erste ökumenische Gottesdienst für Singles in Köln war ein echter Renner. "In der Kirche geht es primär immer um die Familien, oft um die Kinder, Jugendlichen und bestenfalls noch die Senioren. Dabei wollen auch wir Alleinlebende als ganz selbstverständlicher Teil von Gemeindeleben gesehen werden", sagte eine 60-Jährige Teilnehmerin. Diese Äußerung zeigt auch, dass sich Single-Dasein je nach Alter und Lebenssituation unterschiedlich gestaltet.
König: Die Church of England hat eine ganze Kampagne unter dem Titel "Single-friendly-Church" gestartet. Es gibt eine Plattform und eine Internetpräsenz, die das Single-sein auf ganz unterschiedlichen Ebenen angeht. Da gibt es zum Beispiel eine eigene Rubrik, die sich an die Kirchenleitenden richtet und eher für Sprache oder Gremien sensibilisiert. Dann gibt es einen Rubrik, die spezielle Angebote und Veranstaltungen nur für Singles präsentiert. Und dann auch noch eine, die Single-sein als Thema theologisch aufarbeitet. Die Plattform wächst und wächst, und es haben sich verschiedene Institutionen, Einrichtungen, aber auch Personen angeschlossen. Absolut empfehlenswert - reinlesen lohnt sich.
Aber wer nach dem Thema Singles im Internet sucht, trifft auf Einträge wie Herzschmerz und einsame Herzen. Könnten Sie sich vorstellen, dass die Kirche gerade den Leuten, die mit dem Single-Dasein ein Problem haben, Hilfe anbietet?
Kusch: Zuerst einmal: Wir dürfen Single-Sein nicht immer nur defizitär verstehen. Nicht jede oder jeder leidet, wenn er alleine lebt, oder trägt eine Depression davon. Wer allerdings leidet, braucht ein seelsorgerliches Ohr. Da erlebe ich Pfarrerinnen und Pfarrer als sehr kompetent. Andererseits suchen Singles den Austausch untereinander, solche Treffpunkte müssen nicht immer zu einer Partnerschaft oder Ehe führen. Ein Speed-Meeting mag durchaus ein gutes Angebot sein, ebenso aber eine Single-Freizeit, bei der man sich über die eigenen Wünsche, Visionen und Sehnsüchte unter seinesgleichen austauscht oder einfach einen Urlaub mit tollen Erlebnissen und Eindrücken miteinander teilen kann.
König: Single sein ist für einige Menschen auch ein Lebensentwurf, den sie bewusst wählen, oder aber einfach auch eine Lebensphase. Von Singles lässt sich durchaus auch was lernen. Sie überwinden oftmals geschlechtertypische Rollenstereotype, entdecken neue Fähigkeiten, probieren aus, lassen sich auf Neues ein und gestalten Beziehungen. Ein Speed-Meeting kann eine Form sein. Grundsätzlich ist es sinnvoll, Singles selbst zu fragen, was sie sich wünschen.