Chemnitz/Dresden (epd). Ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod des Chemnitzers Daniel H. steht der Prozess wegen Totschlags vor dem Abschluss. Die Staatsanwaltschaft forderte am Montag eine Haftstrafe von zehn Jahren für den angeklagten Syrer Alaa S, wie eine Sprecherin des Chemnitzer Landgerichts auf Anfrage sagte. Am Donnerstag folgen demnach die Plädoyers der zwei Verteidiger. Direkt im Anschluss könnte das Urteil verkündet werden, sagte die Sprecherin.
Die Staatsanwaltschaft plädierte nach Angaben der Gerichtssprecherin auf zwei Einzelstrafen über neun Jahre Haft wegen Totschlags und weitere zwei Jahre wegen gefährlicher Körperverletzung. Dies habe der Staatsanwalt zu einer Gesamtforderung von zehn Jahren Haft verbunden, erklärte die Sprecherin. Ursprünglich waren in dem Prozess, der aus Sicherheitsgründen in Dresden stattfindet, Termine bis Oktober vorgesehen.
In Chemnitz war am 26. August 2018 am Rande des Stadtfestes der 35 Jahre alte Daniel H. erstochen worden. Ein weiterer Mensch wurde verletzt. Rechte Gruppen instrumentalisierten die Tat in den Folgetagen mehrfach für ausländerfeindliche Demonstrationen. Dabei kam es zu Ausschreitungen und Attacken gegen ausländisch aussehende Personen, wie Videosequenzen zeigen.
Die politische Bewertung der Proteste führte zu einer Krise in der Bundesregierung. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Zudem riefen die ausländerfeindlichen Vorfälle in Chemnitz breiten Protest der Zivilgesellschaft hervor. Zu einem Konzert gegen Fremdenfeindlichkeit kamen am 3. September 2018 rund 65.000 Menschen in die sächsische Stadt.
Alaa S. muss sich wegen der Messerattacke seit März vor Gericht verantworten. Gemeinsam mit dem flüchtigen Iraker Farhad A. soll er Daniel H. erstochen haben. Eine Verteidigerin des Syrers hatte nach einer Tatortbegehung Anfang Juni Medienberichten zufolge keinen dringenden Tatverdacht mehr gesehen und beantragt, S. aus der Haft zu entlassen. Das Gericht lehnte das ab.