1968 bringt Roman Polanski den Film "Rosemary's Baby" in die Kinos. Heute ein Horror-Klassiker. Eine junge Frau wird von gar nicht netten Nachbarn dem Satan ausgeliefert, um von ihm geschwängert ein kleines Teufelchen zur Welt zu bringen. Böswillige Satanistenkreise opfern also Menschen! Was Polanski damals nicht hatte ahnen können: Ein Jahr später, am 9. August 1969, wird seine Vision auf bittere Weise Realität. Polanskis hochschwangere Ehefrau Sharon Tate und sechs weitere Personen werden Opfer von Satanisten. Die so genannte Manson-Family, eine Hippie-Gang um ihren Anführer Charles Manson, tötet alle bestialisch. Erst kurz zuvor hatte Manson Kontakt zu satanischen Gemeinschaften. Manson sah in sich Jesus und Satan vereinigt. Gleichzeitig erklärte er sich zu einer Wiedergeburt Aleister Crowleys, eines Vordenkers des modernen Satanismus.
Doch gibt es heute, 50 Jahre danach, diese gefährlichen Satanisten-Netzwerke noch immer? Werden Menschen immer noch zu Opfern von Teufelsanbetern, die heimlich ihre schwarzen Messen zelebrieren? Für Michael Utsch, Referent bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin (EZW), ist der Satanismus vor allem Fiktion und Fantasie in Literatur und Kino. Es gebe zwar Teufelsanbeter, aber die seien in der Regel weit harmloser. "Satanismus ist ein schillernder Begriff, der religionswissenschaftlich nicht eindeutig zu bestimmen ist. Da ist das Dunkle, das Abgründige, das Böse sehr unterhaltsam. Man kommt dann vielleicht auch an Bereiche der eigenen Psyche, an Phantasien heran. Insofern ist Satanismus ein Kick zur Freizeitbeschäftigung", sagt Utsch.
Verbindungen, aber keine Netzwerke
Allerdings eine Freizeitbeschäftigung mit Vorbildern. Am häufigsten genannt wird der Brite Aleister Crowley, gestorben 1947, der sich selbst als "Anti-Christ" bezeichnete. Auf ihn geht die neureligöse Bewegung der Thelema und das "Buch des Gesetzes" (Liber AL vel Legis) zurück. "Tu was Du willst! Das ist das einzige Gesetz. Im Grunde ist es die Ideologie des Individualismus. Manche sprechen auch von der Religion des Ego", erklärt Michael Utsch. Das Individuum steht im Mittelpunkt. Zwar gebe es lockere Verbindungen zwischen den "Freizeitsatanisten", aber von regelrechten Netzwerken könne zumindest in Deutschland keine Rede sein. Gruppen wie die "Church of Satan", "Misanthropic Luciferian Order", "Order of Nine Angels", "Temple of Set" oder "The Satanic Temple" seien eher in den USA aktiv. Eine der wenigen in Deutschland aktiven Gruppen ist der Ordo Templi Orientis, den Aleister Crowley vor 100 Jahren selbst leitete. Nichts ist geheim, alle Informationen und Kontaktdaten des Ordens stehen im Internet.
EZW-Praktikantin Patricia Schüler nahm vor kurzer Zeit an einer Zusammenkunft in Berlin teil. Aus ihrem Bericht: "Kurz bevor die Messe anfing, brachte uns die "Diakonin" (eine der Ritualrollen) das Buch "Liber Al vel Legis" (Buch des Gesetzes) von Aleister Crowley. Jeder sollte ein paar Verse zur Einstimmung vorlesen. Priester und Priesterin sahen sich dabei sanft, hingebungs- und liebevoll an, und so wurden auch über die ganze Zeit die Bewegungen ausgeführt. Am Ende kniete der Priester vor der Priesterin, die Hände an ihren Schenkeln und den Kopf an ihrem Schoß."
Satan als Chiffre
Das scheint wenig verwunderlich, beschäftigte sich Crowley doch auch mit Sexualmagie. Nur von Gewalt, Blut, Menschenopfern keine Spur. Auch Gerhard Mayer, Mitarbeiter am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in Freiburg, weiß von keinen gefährlichen Satanistengruppen. "Es gibt Formen, die sich von der christlichen Vorstellung des Satans sehr stark abgelöst haben. Es geht darum, dass jeder Mensch Verantwortung für sein eigenes Leben und sein Glück übernehmen soll und das nicht transzendenten Mächten oder deren Vertretern auf Erden überschreiben soll", sagt Mayer.
Der Satan ist somit oftmals eine Art Chiffre dafür, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht auf die Kirche und ihre Autoritäten zu verlassen. Kaum verwunderlich daher, dass viele Warnhinweise vor bösen Satanisten in den letzten Jahrzehnten gerade aus kirchlichen Kreisen kamen, die offensichtlich ihre Autorität in Frage gestellt sahen. Psychologe Mayer hat in einer Feldstudie bekennende Satanisten interviewt. Und die beklagen, dass sich viele Satanisten nennen, obwohl sie gar keine sind. "Das sind Leute, die nur provozieren wollen oder für ihre niederen Motive ein Deckmäntelchen brauchen, etwa für Kinderpornografie. Das sind aber Dinge, die man nicht mit dem Satanismus in Verbindung bringen sollte", warnt Mayer.
Ähnliche Erfahrungen macht auch EZW-Referent Michael Utsch in seiner Beratungstätigkeit. Was unter dem Titel der Teufelsanbetung daherkomme, habe meist ganz andere Hintergründe. So fand sich bei ihm etwa ein gerade pensionierter Pfarrer ein, der bekannte, nun Satan anzubeten. "Wenn man aber mit der betroffenen Ehefrau redete, stellte sich heraus, dass der Pastor neidisch war, dass die Frau eine erfolgreiche Schriftstellerin ist und dass sie einen ausstrahlenden, fröhlichen Glauben hat. Es ging um Provokation, dass der emeritierte Pastor seine fromme Ehefrau in die Ecke treiben wollte. Das ist ein Beziehungskonflikt, der in der Paarberatung geklärt werden muss und nichts mit ideologischen religiösen Inhalten zu tun hat", erinnert sich Utsch.
Zwar finden sich in der Presse auch aus Deutschland Berichte von Satanistenmorden. Doch das seien ganz wenige Einzelfälle. Auf keinen Fall könne man von einer Systematik oder gar einem Zusammenhang mit satanischen Netzwerken sprechen. "In den letzten beiden Jahrzehnten kann man diese Fälle an einer Hand abzählen. Insofern steht das in keiner Relation zu dem öffentlichen Interesse. Das Bild des Satanismus oder einer schwarzen Messe oder geheimen Ritualen ist eher unsere Phantasie und weniger auf reale Fakten zurück zu führen", beruhigt EZW-Referent Michael Utsch.