Ein Minigolf-Parcours mit neun Löchern im Kirchenschiff der Kathedrale von Rochester im Südosten Großbritanniens sorgt im Moment für ziemlich viel Wirbel. Die Herzstücke des Parcours in der jahrhundertealten Kirche esind die Miniaturbrücken: Viele von ihnen sind den Besuchern im Original gut bekannt, wie die Queen-Elizabeth-II-Brücke im nahegelegenen Dartford oder auch die ehemalige römische Brücke in Rochester selbst. Jetzt sollen sie sich – so die Hoffnung des "Rochester Bridge Trust" – während einer Partie Minigolf mit den Strukturen der verschiedenen Brücken auseinandersetzen, die aufgestellten Info-Tafeln lesen und Spaß dabei haben.
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Dass ein solcher Minigolf-Parcours ausgerechnet in der zweitältesten Kathedrale des Landes seinen Platz findet, ist für Pastorin Rachel Phillips aufgrund der Brücken-Symbolik vollkommen logisch. "Wir hoffen, dass die Menschen, während sie Minigolf spielen, über die Brücken nachdenken, die in ihrem eigenen Leben und in unserer heutigen Welt gebaut werden müssen", sagt Phillips, die in der Gemeinde für Mission und Wachstum zuständig ist, auf der Homepage der Gemeinde.
Kritiker wie der ehemalige anglikanische Bischof Gavin Ashenden glauben, diese Aktion sei aus Verzweiflung heraus ins Leben gerufen worden. Ashenden sagte im BBC-Interview: "Die Vorstellung, dass Menschen so trivial sind, dass sie mit einem Golfplatz zur Suche nach Gott verleitet werden könnten, ist ein schwerwiegender Fehler."
Auch in den sozialen Netzwerken wurde angeregt darüber diskutiert, was in einer Kirche stattfinden darf und was nicht. Einige Nutzer sehen es als Entweihung an und regen sich über die Verantwortlichen auf, die so etwas haben zulassen können, wie Edward Peters:
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Andere wiederum können nicht verstehen, warum man die Aktion als Verzweiflungstat sieht. So schreibt Nutzerin Victoria Leach in Bezug auf Bischof Ashendens Aussage:
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Die mehrfach täglichen Gottesdienste seien von dieser Aktion nicht betroffen, versicherten Verantwortliche der Kathedrale. Es gebe abseits des Kirchenschiffs weiterhin die Möglichkeit, sich für ein Gebet in die Stille zurückzuziehen oder Kerzen anzuzünden. Dass nun das mittelalterliche Kirchenschiff bis zum 1. September mit dem Minigolf-Parcours belegt ist, ist für Pastor Matthew Rushton kein Problem. Ganz im Gegenteil, er sieht in der Aktion sogar eher noch einen Bezug zur Vergangenheit der Kirche: "Mittelschiffe von Kathedralen waren schon immer öffentliche Orte, an denen sich Heiliges und Säkulares getroffen hat", argumentiert er in der offiziellen Pressemitteilung der Rocherster-Kathedrale.
In diesem Sommer gebe es landauf und landab viele Kathedralen, in denen ganz verschiedene Aktivitäten angeboten würden. Der Minigolf-Parcours in der Kathedrale von Rochester sei nur eine von vielen. "Der Parcours ist vor allem ein gemeinsames Bildungsprojekt zusammen mit dem 'Rochester Bridge Trust'. Es geht darum, junge Menschen mit ihren Familien auf eine lustige Art und Weise für Brücken und die Ingenieurskunst dahinter zu begeistern."
Die anderen interessanten Aktivitäten in britischen Kathedralen, auf die Pastor Matthew Rushton anspielt, umfassen zum Beispiel große Modelle von Mond und Erde im Altarraum oder den Aufbau einer großen Jahrmarktrutsche in der Kathedrale von Norwich. Die spiralförmige "Helter skelter"-Rutsche (Holterdiepolter-Rutsche) ist Teil der großangelegten Initiative "Seeing it differently", die am 8. August in Norwich startet.
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Dabei soll Besuchern der Kirche ein neuer Blickwinkel eröffnet werden – entweder, während sie die Stufen der Rutsche hinaufgehen oder auch, während sie auf Yogamatten auf dem Boden liegen und zum romanischen Deckengewölbe aufsehen. "Wir tun das, was Kathedralen schon immer getan haben: wir helfen den Menschen, Dinge anders zu sehen und eine Beziehung zu Gott aufzubauen", schreibt Pastor Andy Bryant auf der Homepage der Kathedrale.
Kritiker sehen das hingegen ganz anders. Eine Rutsche gegen die sinkenden Mitgliederzahlen wird in einem Artikel der "Daily Mail" als "Ironie" bezeichnet. Ein Anwohner, den die britische Tageszeitung befragt hat, befürchtete sogar eine "Verdunkelung des Glaubens" durch die Aktion: "Was kommt als Nächstes? Goldfische im Taufbecken, damit Kinder sie füttern können?"
Pastor Bryant zeigt Verständnis und beschwichtigt jene, die sich an dem bunten Abgleiten im Kirchenraum stören: "Diese Mauern haben in den vergangenen 900 Jahren viele Dinge gesehen, und ich vermute, dass sie auch dies verkraften werden." Denn zu den Aktionen im Rahmen von "Seeing it differently" gehört noch mehr als nur die Jahrmarktsrutsche, die die Gemüter der Kritiker bewegt.
Ein Bodenlabyrinth lädt zum Beispiel dazu ein, zur Ruhe zu kommen und beim Beten und Nachdenken über das eigene Leben die Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Außerdem können sich Besucher der Kathedrale wortwörtlich in die Bibel setzen und sie so auf eine neue Art erleben: in einer knapp zweieinhalb Meter langen und breiten sowie dreieinhalb Meter hohen Bibel-Box. An den Wänden und der Decke stehen alle Worte der Bibel geschrieben. Und im Klostergarten erwartet die Besucher ein besonderer Pfad, den sie mit verbundenen Augen beschreiten, um ihn so mit anderen Sinnen wahrnehmen zu können. "Die Rutsche und all die anderen Aktivitäten sind für alte und neue Besucher eine Möglichkeit, die Kathedrale auf eine einzigartige Weise zu entdecken. Wir hoffen, dass Menschen allen Alters Spaß daran haben werden, an unserer Initiative 'Seeing it differently' teilzunehmen", hofft Pastor Bryant.
"Dippy" der Diplodocus kommt
Den nächsten großen Wurf, der schon im Vorfeld für erhitzte Gemüter sorgt, hat die Kathedrale auch schon gelandet: 2020 soll Englands Naturhistorisches Museum auf Tour gehen und von Juli bis Oktober einen Stopp in Norwichs Kathedrale einlegen. Mit dabei: der beliebte Dino "Dippy".
Aber auch in Deutschland lassen sich viele Gemeinden interessante Aktionen einfallen, um eher kirchenferne Menschen in die Kirche zu bekommen. So hat die Hamburger Immanuelkirche ihren Kirchenraum von der Kanzel bis zum Kirchturm schon 2016 – damals jedoch nur für einen Tag – in ein Minigolf-Wunderland mit einem 18-Loch-Parcours verwandelt. Dazu gab es dann noch Live-Musik, ein Turnier und am Abend eine Tanzveranstaltung. Die Idee ist also keinesfalls neu.
In der Stadtkirche im hessischen Langen war es Ende Juli soweit: Da hat man die Leute in Sechsergruppen in die Kirche eingeladen, damit sie am Ende darum kämpfen konnten, wieder herauszukommen. Der Kirchenraum wurde nämlich zu einem sogenannten "Escape Room" umgebaut. Bei dieser Spielform besteht die Aufgabe für die Spieler darin, Rätsel zu lösen, versteckte Hinweise zu finden, Codes zu knacken und am Ende innerhalb von 60 Minuten den – in diesem Fall nur symbolischen – Schlüssel zu finden, um die Tür zu öffnen. Im Gegensatz zu anderen "Escape Rooms", in denen es zum Beispiel um die Flucht vor einem Mafia-Boss oder um verrückte Wissenschaftler geht, drehte sich im vorderen Teil der Langener Stadtkirche in zehn Rätseln alles um die zehn Plagen des Alten Testaments.