Ein Sonntagabend im Juli, kurz nach 18 Uhr: Leichtes Gedränge herrscht beim Zustieg auf das Boot "MS Großherzog Ludwig" in Bodman (Landkreis: Konstanz). Vor allem Frauen über 50, hübsch gemacht mit Kleidern und großen Ketten, sind darunter. Sie besuchen den ersten ökumenischen Gottesdienst dieses Jahres auf dem "Kirchenschiff" im Bodensee.
Seit 2013 fährt das "Kirchenschiff" drei bis fünf Mal pro Sommer über den Untersee, den kleineren der beiden Bodenseearme, und bietet einen Gottesdienst mit Sonnenuntergang sowie Bar an. Gestaltet wird das Angebot der Evangelischen Landeskirche in Baden und des Erzbistums Freiburg immer von einem evangelischen und einem katholischen Seelsorger. Zudem gibt es jedes Mal eine andere musikalische Begleitung, mal eine Band, ein klassischer Chor oder Gospel.
Erstmals dabei ist auch das Ehepaar Martha und Bernhard Lehn aus der Konstanzer Gemeinde Orsingen. Die katholischen Kirchgänger sind gemeinsam mit Freunden dort, die das "Kirchenschiff" schon von den vergangenen Jahren kennen. "Das Format ist eben mal was ganz anderes", erklärt Bernhard Lehn seine Lust auf "maritime Gottesdienste".
Der Gottesdienst selbst findet unter Deck statt. Vor allem Seniorinnen sitzen auf den dort aufgestellten Stühlen und fächeln sich bei Apfelschorle oder Weißwein mit tragbaren Mini-Ventilatoren kühle Luft zu. Andere Gäste sitzen auf der Dachterrasse, dem Bug oder dem Heck. Sie folgen der Predigt über Lautsprecher und genießen den Blick auf das Alpenvorland und den Sonnenuntergang.
Plätze bereits seit Mai vergeben
"Der Andrang ist immer groß". erzählt Heike Schuster, Tourismusreferentin der evangelischen Kirchenbezirke am westlichen Bodensee. Die buchbaren Plätze für alle Fahrten 2019 seien schon seit Mai vergeben. Besucher mit Anmeldung steigen in Bodman ein. Sind dann noch Plätze frei, können weitere Gäste spontan in Überlingen zusteigen.
Mit dem "Kirchenschiff" erreichten sie Einheimische und Touristen, Gläubige und Kirchenzweifler, erzählt Schuster. Darunter seien auch viele, die sich als Christen betrachten, aber aus der Kirche ausgetreten sind, weil sie sich mit der Institution schwertun. "Sie sagen, dass sie bei dem Bodensee-Gottesdienst die Lebensnähe finden, die sie im Kirchenraum vermissen", berichtet Schuster. Die evangelische Pfarrerin Kristina Wagner, die an diesem Abend predigt, ergänzt: "Durch das 'Kirchenschiff' bringen wir das Evangelium an einen Ort, an dem die Menschen schon sind." Rund 200 Besucher könne das Schiff aufnehmen.
Ein Elternpaar, das mit seinen beiden erwachsenen Töchtern den Gottesdienst schon seit Beginn der Fahrten besucht, erklärt: "Der Gottesdienst ist eine super Kombi aus Lobpreisung Gottes, Musik und Bodensee." Ähnlich sehen das auch die 23-jährige Anna Hopstock aus Weimar und die 29-jährige Christina Hansen aus Salem mit ihren Freunden.
Beide Protestantinnen genießen den Abend sehr, sagen sie. "Auf dem See fühle ich mich Gott näher", erklärt Hopstadt, und Hansen ergänzt: "Von hier aus hat man noch einmal eine ganz andere Perspektive auf das Leben als von einem Kirchraum aus."
Auch das Ehepaar Lehn bewertet seine erste Fahrt mit dem Kirchenschiff positiv. "Sehr eindrucksvoll", sagen sie. Im nächsten Jahr wollen sie wieder dabei sein. Kurz vor 21 Uhr legt die "MS Großherzog Ludwig" wieder am Startpunkt an.