Die große Zeit von Pierre Richard, mittlerweile über achtzig, liegt bereits eine ganze Weile zurück; nach dem Überraschungserfolg "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh" (1972) war er viele Jahre lang auf Komödien abonniert, deren deutsche Titel gern Wörter wie "Knallerbse", "Tolpatsch" oder "Hornochse" enthielten. "Monsieur Pierre geht online" ist zwar kein Comeback, auch wenn Richard in den letzten zwanzig Jahren seltener vor der Kamera stand als früher, aber als Hauptdarsteller einer Komödie war er hierzulande schon lange nicht mehr zu sehen.
Pierre hat sich seit dem Tod seiner Frau völlig von der Außenwelt abgekapselt. Weil er nicht mehr vor die Tür geht, schenkt ihm seine Tochter Sylvie einen Computer, damit er wenigstens per Video mit seiner Familie kommunizieren kann. Die Einführung in die Technik besorgt Alex (Yannis Lespert), der Freund seiner Enkelin Juliette. Alsbald entdeckt Pierre, dass das Internet noch ganz andere Möglichkeiten bereithält. Er legt ein Profil in einem Datingportal an und beginnt eine digitale Brieffreundschaft mit der jungen Belgierin Flora, die ebenfalls ihren Lebensgefährten verloren hat und zutiefst von seinen Worten berührt ist. Sie will sich unbedingt mit ihm treffen; der chronisch klamme Alex lässt sich gegen eine kleine Aufwendung überreden, nach Brüssel zu fahren und sich als Pierre auszugeben. Flora (Fanny Valette) entpuppt sich als hinreißend schöne Frau, der beide Männer umgehend verfallen. Pierre will jedoch mehr als nur Einflüsterer und Beziehungszaungast sein, also lädt er Flora zum Gegenbesuch nach Paris ein, ohne Alex einzuweihen. Der kriegt das trotzdem mit, und als sich zufällig sich auch noch Sylvie und Juliette einfinden, kommt es prompt zum großen Knall, zumal Pierre bis dahin keine Ahnung hatte, dass Alex der Freund seiner Enkelin ist.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Zum Glück verzichtet Stéphane Robelin bei seiner Inszenierung dieser französisch-deutschen Koproduktion auf jenen Holzhammerhumor, der viele frühere Filme mit Pierre Richard auszeichnete; der wiederum kommt komplett ohne die Zappeligkeit aus, die einst sein Markenzeichen war. Sparsame Gags wie jener, als Pierre am Computer nicht weiterkommt, Alex ihn telefonisch auffordert, ein Fenster zu öffnen, und Pierre folgsam frische Luft ins Zimmer lässt, sind die Ausnahme, aber selbst diese eher schlichten Scherze sind dank Richards sparsamem Spiel sehr amüsant. Die Wandlung vom ollen Griesgram zum charmanten Schlitzohr auf Freiersfüßen klingt zwar nach Lustspiel, doch über weite Strecken ist "Monsieur Pierre geht online" eine Tragikomödie über das bedauernswerte Dasein eines einsamen alten Mannes, der der großen Liebe seines Lebens nachtrauert. Möchtegernschriftsteller Alex ist auch nicht gerade ein Überflieger und seine Beziehung zu Juliette ohnehin ein Missverständnis. Obwohl die Geschichte überschaubar erscheint, sorgt Robelin, der 2012 durch seine auch bei uns erfolgreiche und mit Stars wie Jane Fonda, Geraldine Chaplin und Richard besetzte Senioren-WG-Komödie "Und wenn wir alle zusammenziehen?" bekannt geworden ist, bis hin zum kleinen Schlussknüller immer wieder für Überraschungen.