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TV-Tipp: "Endabrechnung" (ZDF)
1.7., ZDF, 20.15 Uhr: "Endabrechnung"
Selbst wenn dieser Krimi aus Südtirol sonst nichts zu bieten hätte: Die Szenen mit Robert Palfrader und Tobias Moretti sind großes Schauspiel.

Palfrader, hierzulande vor allem durch seine Titelrolle in der leider nur zwei Filme kurzen Krimireihe "Der Metzger" bekannt geworden, spielt einen Bozener Kriminalkommissar, der große Schuld auf sich lädt, als er voreilig öffentlich einen Priester eines Verbrechens verdächtigt und sich der Mann daraufhin das Leben nimmt. Kommissar Höllbacher quittiert den Dienst und zieht sich in seine Heimat nach Meran zurück. Als ein Bankdirektor auf offener Straße erschossen wird, bittet ihn die Polizeichefin des beschaulichen Kurorts um Hilfe. Höllbacher lehnt ab, ändert seine Meinung jedoch, als mit großem Auftritt sein Erzfeind auftaucht: Oberstaatsanwalt Nicoletti (Moretti) hatte ihn dazu animiert, in einer Pressekonferenz den Namen des Priesters zu nennen, und der Jurist macht sich mit großer Geste auch diesen Fall zu eigen.

Es sind gleich eine ganze Reihe von Gründen, die "Endabrechnung" zu einem besonderen Krimi machen, aber der größte Reiz des Films liegt im Kontrast zwischen diesen beiden Männern: hier der von Palfrader mit viel Melancholie verkörperte massige Kommissar, der den Rest seines Lebens offenbar damit verbringen will, gemeinsam mit seinem Freund Severin (Harald Windisch) die Weinbestände Südtirols zu dezimieren; dort der stutzerhafte Staatsanwalt mit seinem wie mit Tusche gemalten Oberlippenbärtchen, dem die Süffisanz aus allen Knopflöchern trieft. Diese Figur dürfte Moretti ein spezielles Vergnügen bereitet haben: Der selbstverliebte Nicoletti gibt sich gern den Anschein von Gönnerhaftigkeit, lässt seine Mitmenschen aber stets spüren, dass man ihn sich nicht zum Feind machen sollte.

Nicht minder sehenswert ist der im deutschen Fernsehen nur als Nebendarsteller besetzte Harald Windisch als Dritter im Bunde, zumal das Drehbuch (Peter Probst) früh verrät, dass Severin den Banker auf dem Gewissen hat. Das ist der zweite Reizpunkt des Films: Höllbacher muss, ohne dies zu ahnen, gegen seinen besten Freund ermitteln. Während Nicoletti einen terroristischen Hintergrund vermutet, erfährt der reaktivierte Kommissar von Zimmermädchen Lediana (Claudia Kottal), in das er sich ein bisschen verliebt, dass der Bankdirektor eine Affäre mit der Vorstandsvorsitzenden der Bank hatte; sie stirbt in ihrem Hotelzimmer. Weil beiden Opfer mitten ins Gesicht geschossen wurde, ist Höllbacher überzeugt, dass der Mörder persönliche Motive hatte. So ist es natürlich auch: Wenn Severin auf seinem Motorrad unterwegs ist, wirkt er wie ein dunkler Ritter auf finsterer Mission. Sein Freund findet derweil heraus, dass kürzlich ein Baron bei einem vermeintlichen Jagdunfall auf ganz ähnliche Weise gestorben ist. Da sich der Adelige kritisch über den Islam geäußert hat, glaubt Nicoletti weiterhin an einen islamistischen Hintergrund und lässt mehrere Muslime verhaften. Höllbacher sucht derweil nach einer Verbindung zwischen den Opfern – und stößt auf Severin.

Regisseur Umut Da? hat zuletzt für den Hessischen Rundfunk einen ausgezeichneten "Tatort" gedreht ("Das Monster von Kassel") und bei "Endabrechnung" dafür gesorgt, dass der Film nicht nur darstellerisch ein Genuss ist. Die Gestaltung (Andreas Thalhammer, Xiaosu Han) gerade der Innenaufnahmen ist von großer Kunstfertigkeit. Es ist sicher kein Zufall, dass eine Einstellung, die Höllbacher in seinem heruntergekommenen Elternhaus zeigt, in Perspektive, Atmosphäre und Licht frappierend an Carl Spitzwegs Gemälde "Der arme Poet" erinnert. Ein reizvollerer Schauplatz ist allerdings das verlassene Hotel, in dem Severin lebt. In einer Schlüsselszene veranstalten die beiden betrunkenen Freunde im leeren Schwimmbad Schießübungen. Als Severin ein Foto von Nicoletti aufhängt, unterschreibt Höllbacher mit seinem Volltreffer unwissentlich ein weiteres Todesurteil.

"Endabrechnung", in Österreich bereits im Dezember 2016 ausgestrahlt, stammt aus der ORF-Reihe "Landkrimi", einer Art "Tatort"-Pendant, jedoch mit dem Unterschied, dass die Filme stets in der Provinz spielen. Für ein hiesiges Publikum ist das durchaus gewöhnungsbedürftig: Das Wienerische gilt im deutschen Fernsehen dank "Tatort" und vieler Koproduktionen als salonfähig, aber natürlich sprechen die Schauspieler in diesen Filmen eine gemäßigte Form des Dialekts. Bei den ursprünglich nur für den ORF entstandenen "Landkrimis" ist das anders, erst recht, wenn eine Geschichte außerhalb Wiens spielt. Palfrader und Moretti sind beide keine Südtiroler, der eine ist in Wien geboren, der andere in der Nähe von Innsbruck, weshalb nur Einheimische bewerten können, wie gut ihnen die ungewohnte Mundart gelungen ist; aber für deutsche Ohren klingt das sehr überzeugend. Die österreichische Zeitung "Der Standard" attestiert Palfrader immerhin, er artikuliere "ein derart makelloses Südtirolerisch, als hätte er tagaus, tagein eine Handvoll Alpendolomiten im Mund stecken." Auch Autor Peter Probst hat einen ordentlichen Anteil daran, dass "Endabrechung" nicht nur sehens-, sondern auch hörenswert ist. Der deutsche Autor verfasst regelmäßig gute Drehbücher für Reihen wie "Tatort" und "Kommissarin Lucas", hat für Moretti schon die Titelrolle in "Luis Trenker" geschrieben und sorgt in dem ORF-Krimi für viele wunderbare und immer wieder unerwartet witzige Dialoge.