Kommt man als evangelischer Christ in eine katholische Kirche, fallen einem schnell einige Einrichtungsgegenstände auf, die man aus der eigenen Kirche nicht kennt. Vom Weihwasserbecken über den Tabernakel bis hin zu Heiligenfiguren und -altären. Am auffälligsten aber sind – besonders in älteren Kirchen – die großen schrankartigen Beichtstühle. Manch ein Film mag dem befremdeten Protestanten dann in den Sinn kommen, Gedanken an sündige Taten, das Beichtgeheimnis und sich daraus ergebende Verstrickungen, zehn Ave Maria für den begehrlichen Blick in Richtung Nachbarsjüngling – nein, so etwas gibt es bei den Evangelischen doch nicht! Oder?
Abgesehen davon, dass es so klischeehaft auch bei den Katholiken schon lange nicht mehr zugeht: Die Beichte gibt es sehr wohl auch bei den Protestanten. In vielen lutherischen Gottesdiensten zum Beispiel gut versteckt als gemeinsames Sündenbekenntnis kurz vor der Abendmahlsfeier. Aber auch besondere Beichtgottesdienste sind möglich und auf Wunsch die Einzelbeichte, die allerdings von reformierter Seite eher kritisch gesehen und dort noch seltener praktiziert wird als in lutherischen Gemeinden.
Martin Luther kritisierte an der katholischen Beichtpraxis und den dahinterstehenden Vorstellungen, dass der Mensch gar nicht in der Lage sei, sich all seiner Sünden bewusst zu werden, um sie zu bereuen; auch nicht durch Taten der Genugtuung könne er sich davon befreien, da er allein auf die Gnade Gottes angewiesen sei. Dennoch hielt er ausdrücklich an der Beichte als wirksamer Möglichkeit zur Versöhnung mit Gott und den Mitmenschen fest. Er selbst, der immer wieder von starken Selbstzweifeln gequält wurde, beichtete regelmäßig, zeitweise sogar täglich, und meinte: "Ja, ich wäre längst vom Teufel erwürgt, wenn mich nicht die Beichte erhalten hätte."