Nach ersten Erkenntnissen wurde dort ein Geistlicher bestattet. Wer diese Person war und in welcher Zeit sie gelebt hat, ist bis dato noch nicht zu bestimmen. Weitere Untersuchungen werden darüber Aufschluss geben. Zu sehen waren die sterblichen Überreste sowie Stofffragmente mit Goldbordüre. Die Vermutung, dass in dem Grab der Mainzer Erzbischof Erkanbald bestattet liegt, kann bisher noch nicht bestätigt werden. Erkanbald war von 997 bis 1011 Abt von Fulda und von 1011 bis zu seinem Tod 1021 Erzbischof von Mainz.
Bereits seit Montag hatte die Dombauhütte die Hebung des 700 Kilo schweren Sarkophagdeckels mit einem Hebekran vorbereitet. Der wissenschaftliche Forschungsleiter Guido Faccani hatte mit seinem Team ein halbes Jahr auf die Öffnung des Sarkophags gewartet: "Solch eine lange Vorbereitungszeit und dann geht der Deckel auf. Das war ein einzigartiger Moment. Wir haben schnell festgestellt, dass viele Stoffreste im Sarkophag zu finden sind", erklärt er.
Die Knochen der bestatteten Person seien dagegen völlig verfallen. "Nicht einmal Zähne sind zu finden. Der Verstorbene wurde bei seiner Bestattung wahrscheinlich mit Ätzkalk übergossen, um den Verwesungsprozess zu beschleunigen", so Faccani.
Die Stoffproben werden nun von einer Textilexpertin in Bezug auf Webarten und Muster analysiert, um sie einer Epoche zuzuordnen. Für Aufsehen unter den Wissenschaftlern hat zudem eine offenbar nachträgliche Bearbeitung des Steinsargs im Inneren gesorgt. Diese Entdeckung müsse aber noch genauer begutachtet werden. Für weitere Untersuchungen sind rund zwei Wochen vorgesehen. Wie lange es dauert, den Fund genau zuzuordnen, kann derzeit nicht gesagt werden. Faccani: "Wissenschaft dauert, so lange sie dauert."
Ökumenische Glaubensgeschichte
"Die Sarkophagöffnung war sehr spannend, aber auch ein geistig bewegendes Ereignis. Wir sind hier konfrontiert mit Vergänglichkeit und Hoffnung zugleich", sagte Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau bei der Öffnung des Grabs. Gemeinsam mit Bischof Peter Kohlgraf hielt er zu Beginn der Arbeiten eine Andacht. Auch Kohlgraf zeigte sich begeistert: "Wir waren hier und heute Teil einer ökumenischen Glaubensgeschichte".
Dekan Andreas Klodt vom Evangelischen Dekanat Mainz sieht im Alten Dom St. Johannis einen Ort mit ganz besonderer historischer Bedeutung: "In diesem Gebäude haben schon viele Generationen vor uns gesungen, gezweifelt, gebetet und gehofft. Ich bin stolz, dass wir die Bauherrenschaft in dieser Kirche haben und hier Gottesdienst feiern dürfen." Neben der Faszination an dem Fund, sieht Birgit Pfeiffer, Präses des Evangelischen Dekanats Mainz, auch die große Verantwortung, die damit einhergeht: "Wir waren alle atemlos fasziniert bei der Öffnung. Nun wird es eine große Herausforderung für uns, mit dem Fund und der Kirche umzugehen und dieses auch der Allgemeinheit zugänglich zu machen."
Bereits 2017 kam bei den Grabungen eine Ecke des Sarkophags zum Vorschein, der in den Boden der St. Johanniskirche eingelassen war. Die Schichteinbindung oder Stratigraphie, aber auch das Walmdach des Sarkophags - als Zeichen des "Haus des Toten" - gaben Hinweise darauf, dass der Sarkophag aus dem 10./11. Jahrhundert stammt. Die Bestattung in einem solchen Steinsarg und die Platzierung dessen nahe dem Altarraum zeugen zudem davon, dass dort eine hochrangige Person bestattet sein muss.
Die Archäologen trugen Schicht für Schicht über dem Sarkophag ab, um diesen völlig frei zu legen - in dem Zustand, in dem er vor rund 1.000 Jahren in die Kirche gelegt wurde. Der Deckel wird nach der wissenschaftlichen Untersuchung wieder verschlossen und der Tote darf weiter in der St. Johanniskirche ruhen.
Die Kosten
Die Kosten für die Grabungen im Alten Dom lagen von 2013 bis heute bei circa 7 Millionen Euro. Diese wurden von der Evangelischen Kirche, dem Land und dem Bund getragen. Die Kosten für die Öffnung und wissenschaftliche Untersuchung des Sarkophags sind gedeckt durch die Großspende des Bistums Mainz, die Bischof Karl Kardinal Lehmann 2015 in Höhe von 100.000 Euro an die Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) zur Unterstützung der Grabungen übergab. Die Spende sollte ein Zeichen für das gemeinsame große Interesse an der Geschichte des Alten Doms St. Johannis sein, aber auch ein Zeichen des ökumenischen Miteinanders, für das St. Johannis steht.
Die Forschungsgrabung in der St. Johanniskirche ist seit Ende 2018 eingestellt. Aktuell werden statische Sicherungsmaßnahmen vorgenommen und archäologisch begleitet. Die EKHN arbeitet gerade an einem umfangreichen Nutzungskonzept für die Kirche. Dieses soll bereits auf der Herbstsynode präsentiert werden. "Wir möchten dabei den Spagat schaffen, sowohl den historischen Aspekten als auch der Funktion der Kirche gerecht zu werden.", erklärt Klodt. Der Alte Dom solle dabei wieder Heimat für die Evangelische Johannisgemeinde und ihre Kantorei werden sowie ein Ort des lebendigen Austauschs für gesellschaftliche Fragen mitten in der Stadt.
Hintergrund zu St. Johannis
Der Alte Dom St. Johannis ist eine der ältesten Mainzer Kirchen. Seit 1830 ist er evangelisches Gotteshaus.
Im Jahr 2013 wurde im Rahmen geplanter Renovierungsarbeiten eine groß angelegte Forschungskampagne lanciert, im Laufe derer der komplexen, mindestens 1.800 Jahre langen Baugeschichte von St. Johannis nachgegangen werden konnte: Römische Profanbauten bilden die Grundlage für die Entwicklung einer Kirche, deren Bestehen nach bisherigen Erkenntnissen ins 5./6. Jahrhundert zurückreicht. Sie geht nach wiederholten Umbauten wohl um das Jahr 1000 in einem Sakralbau auf, der bis auf den Westchor im heutigen Gotteshaus präsent ist. Veränderungen der Romanik, Gotik, Renaissance, des Barocks sowie des Klassizismus und vor allem der Nachkriegsmoderne prägen die heutige Form von St. Johannis.