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TV-Tipp: "Die Auferstehung" (ARD)
5.6., ARD, 20.15 Uhr
Den Schlüsselsatz dieses Films spricht die Stimme der Vernunft: Solange die Eltern noch leben, sagt Anwalt Max, kann man sich für einen guten Menschen halten; aber sobald beide tot sind, "weiß man, was Krieg bedeutet."

Den Mann überkommt angesichts der gierigen Mischpoke, die sich nach dem Tod des Vaters im Elternhaus versammelt hat, das pure Grauen, denn von Trauer kann bei den Hinterbliebenen keine Rede sein. Tochter Linda (Leslie Malton) treibt die anderen geradezu vor sich her: Sie will um jeden Preis verhindern, dass die "Balkan-Hure" - gemeint ist die ungarische Pflegerin des Vaters - das Haus erbt; deshalb muss das Testament verschwinden.

Kino, Fernsehen, Theater und Literatur haben sich die personelle Konstellation dieses Films immer wieder gern zunutze gemacht: Mehrere Menschen, die sich im Grunde nicht mögen, aber nun mal miteinander verwandt sind, verbringen unfreiwillig Zeit miteinander und nutzen die Gelegenheit, um sich getreu der Devise "Wer Familie hat, braucht keine Feinde" gegenseitig zu zerfleischen. Da derartige dramaturgische Konstrukte wegen der Einheit von Zeit und Raum meist als Kammerspiel umgesetzt werden, sollten die Drehbücher nach Möglichkeit zwei Voraussetzungen erfüllen: Die Dialoge brauchen Biss, weil die geballte negative Energie ein Ventil benötigt; und selbstverständlich muss einem Regisseur das richtige Ensemble zur Verfügung stehen.

Das Drehbuch von Karl Heinz Käfer (zuletzt unter anderem "Herr Lenz reist in den Frühling"), zu dessen besten Arbeiten nach wie vor das erschütternde Alzheimer-Drama "Mein Vater" (2003) mit Klaus J. Behrendt und Götz George gehört, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Karl-Heinz Ott und hält sich eng an die Vorlage: Der Vater liegt leblos auf dem Fernsehsofa, um ihn herum streiten die Erben; es geht zwar auch um Haus und Geld, aber vor allem um alte Rechnungen, verletzte Eitelkeiten und tiefe Kränkungen. Die Inszenierung besorgte Niki Stein, der Erfahrung mit den Rahmenbedingungen hat: Sein Drama "Die Konferenz" (2004) war ebenfalls ein Kammerspiel. Er hat viele herausragende Filme gedreht, darunter das Scientology-Drama "Bis nichts mehr bleibt" (2010) oder diverse große "Tatort"-Episoden wie etwa die Kubrick-Hommage "HAL" (2016).

Steins kürzlich ausgestrahlter Film "Big Manni" war der Versuch, aus der Realsatire des FlowTex-Skandals eine Komödie zu machen; für deren Misslingen stand vor allem Hans-Jochen Wagner, der die Titelfigur viel zu übertrieben als Witzfigur verkörpern musste. Den gleichen Fehler begeht Stein in "Die Auferstehung": Leslie Malton schimpft, brüllt, geifert, heult und spuckt. Kameramann Michael Schreitel hat zwar alles getan, um "Die Auferstehung" nicht wie verfilmtes Theater wirken zu lassen, aber die Rahmenbedingungen des Films sind zwangsläufig sehr bühnenhaft, zumal Linda erst mal sämtliche Vorhänge zuzieht. Malton treibt diese Wirkung jedoch noch auf die Spitze, weil sie für ein Publikum zu spielen scheint und auch mimisch alles gibt: Nähert sich Linda dem Rand der Hysterie, überschreitet ihre Darstellerin den Rand des Erträglichen. Wenn Stein genau diesen Effekt erreichen wollte, ist ihm das ausgezeichnet gelungen.

Zwar zeichnen sich auch die anderen Personen nicht unbedingt durch Zwischentöne aus, aber ihre Darsteller hauen längst nicht so auf den Putz. Außerdem passen sie perfekt zu ihren Rollen, allen voran Herbert Knaup als Lindas unterdrückter Gatte Fred, der sein Heil im Alkohol wie auch in Angriffen gegen den schöngeistigen Schwager Jakob (Dominic Raacke) sucht. Stippvisiten in den Jugendzimmern von Lindas Brüdern stehen für die leicht klischeehaften, aber schlüssig umgesetzten Charakterisierungen. Ein Filmplakat des Ingmar-Bergman-Klassikers "Das siebente Siegel" symbolisiert Jakobs einstigen Traum; er sieht sich noch heute als Filmemacher, dreht aber Kulturbeiträge fürs Fernsehen. Bei Joschi (Joachim Król) hängt Mao. Der einstige Studentenführer wettert gern gegen den Konsumterror, bezieht jedoch selbst als angehender Rentner noch jeden Monat Geld vom Vater. Etwas zu kurz kommt der vierte Spross; für das Poster, das David Bowie auf dem Cover des Albums "Aladdin Sane" (1973) zeigt, ist der sensible Uli (Michael Rotschopf) mit circa fünfzig ohnehin zu jung. Auch seine Träume sind irgendwann zerplatzt; seine Frau Franziska (Brigitte Zeh) will sich trennen und ist offenkundig sehr angetan von Jakob, der seinen Zynismus hinter Zitaten großer Philosophen verbirgt. Trotzdem hat Król dank Joschis trockenem Sarkasmus die besten Dialoge, wenn er nicht gerade verstaubt klingende Klassenkampfparolen von sich gibt.

Da sich der an Parkinson erkrankte Vater zum Entsetzen seiner Tochter auch im hohen Alter eines florierenden Sexualtriebs erfreute, geht es mitunter etwas deftig zu. Eine der ersten Taten Lindas besteht darin, sein "Ding" in die Hose zu stopfen; Papa hat einen Porno geschaut, als er das Zeitliche segnete. Als schließlich auch die Brüder eintrudeln, beginnt das große Hauen und Stechen, zunächst mit wechselnden Allianzen. Ein gemeinsames Feindbild haben die Erben erst, als am späteren Abend endlich Max (Mathieu Carrière) eintrifft, weil sich der einst von Linda kurz vor der Hochzeit sitzengelassene Anwalt weigert, Details aus dem Testament zu verraten. Am Ende, als der Film sein Titelversprechen einlöst und sich die verblüfften Familienmitglieder nichts mehr zu sagen haben, kommt endlich auch die gute Filmmusik von Steins Stammkomponist Jacki Engelken zur Geltung.