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TV-Tipp: "Hüftkreisen mit Nancy" (ZDF)
23.5., ZDF, 20.15 Uhr: "Hüftkreisen mit Nancy"
So ist das Leben: Zur mutmaßlichen Halbzeit seines Daseins wird Journalist Max (Felix Knopp), Mitte vierzig, komplett aus der Bahn geworfen. Erst verliert er ausgerechnet am Geburtstag seinen ohnehin nicht berauschenden Job bei einer kleinen Berliner Tageszeitung, und dann verwandeln sich die bislang unter der Alltagsroutine verborgenen kleinen Beziehungsprobleme nach fast zwanzig Ehejahren in eine veritable Krise. Ein Paartherapeut rät zu "LAT", live apart together, also eine vorübergehende räumliche Trennung, aber als das nicht funktioniert, geht Gattin Tina (Rebecca Rudolph) einen Schritt weiter: LAF, live apart forever, Trennung für immer.

Das Drehbuch zur kurzweiligen und von den Hauptdarstellern jederzeit überzeugend und vor allem sympathisch gespielten Tragikomödie "Hüftkreisen mit Nancy" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Stefan Schwarz (Rowohlt Berlin). Die Autoren Johann A. Bunners und Martin Dolejš haben die Handlung in einigen wichtigen Punkten variiert, und das war auch gut so, weil die Adaption sonst starke Parallelen mit der zu Beginn des Jahres gestarteten Kinoproduktion "Wie gut ist deine Beziehung?" gehabt hätte. Darin will sich die Hauptfigur gewissermaßen neu erfinden, um die Lebensgefährtin zurückerobern, bevor sie überhaupt auf die Idee kommt, ihn zu verlassen. Schwarz’ Roman erzählt eine ganz ähnliche Geschichte. Der Film-Max geht einen anderen Weg: Weil er es nicht schafft, Tina die Entlassung zu gestehen, verbringt er seine "Arbeitszeit" fortan im Park am Ententeich. Dort hat er eines Tages eine Erscheinung, die Regisseur Miko Zeuschner in ein passendes überirdisches Licht taucht. Max ist fasziniert von der attraktiven Joggerin (Helen Woigk), die auf der anderen Seite des Teichs Dehnübungen macht. Er folgt ihr bis in das Fitnesscenter, in dem sie arbeitet, und lässt sich in seinem Zustand geistiger Umnachtung auf eine zweijährige Mitgliedschaft ein, die sich zunächst allerdings darauf beschränkt, in den Räumen sein Mittagessen zu verzehren. Die junge Frau heißt Nancy, träumt von einer Karriere als Tänzerin und will Max davon überzeugen, an seiner Haltung zu arbeiten und mehr Lebensenergie aus dem Becken zu holen; eine Aufforderung, die er prompt falsch versteht. Einmal in Fahrt, überarbeitet er gleich auch noch sein Erscheinungsbild. "Entdecke das Feuer in dir" lautet der Slogan auf dem Gutschein für einen Tango-Tanzkurs, den Tina ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Die Devise setzt Max nun um, Algensalat und Skateboard inklusive; prompt wittert Schwiegermutter Carola (Ruth Reinecke) eine Affäre.

Zeuschner ist ein erfahrener Serienregisseur, die handwerkliche Qualität des Films ist also keine Überraschung; eher schon der Mut des ZDF, sich darauf einzulassen, dass die Hauptrollen nicht von prominenten Darstellern verkörpert werden. Mit Abstand am bekanntesten ist Rudolf Kowalski als Max’ schwiegerväterlicher Freund, Ratgeber und Orthopäde, der seiner eigenen Ehe nachtrauert. Felix Knopp und Rebecca Rudolph sind natürlich keine Anfänger, aber meist nur in Nebenrollen zu sehen. Helen Woigk, die ihre Nancy mit einem sehr sympathischen Dauerschmunzeln in den Mundwinkeln versieht, hat dagegen schon einige Glanzlichter gesetzt, etwa in dem Reformations-Zweiteiler "Die Puppenspieler" (2017, ARD) oder zuletzt als allzu frühes Mordopfer im "Kroatien-Krimi" ("Der Mädchenmörder von Krac"). Sie verkörpert die Tänzerin konsequent als jederzeit zuversichtliche Frau zum Verlieben und wird von Zeuschner natürlich als verlockende Versuchung inszeniert. Mindestens so interessant wie die romantische Ebene ist jedoch der Bewusstseinswandel des Journalisten: Max erkennt, dass er beruflich ein falsches Leben geführt hat. Er hält sich ohnehin für einen Feuilletonisten, strebt eine zweite Karriere als Musikjournalist an und bewirbt sich bei einer Musikzeitschrift, die er schon in seiner Jugend immer gelesen hat. Das Blatt ist mittlerweile zwar fest in Hipster-Hand, aber der junge Chefredakteur schlägt ihm einen Deal vor: Max kriegt den Job, wenn es ihm gelingt, ein Interview mit John Ash zu führen. Der Rockstar, eine pressescheue musikalische Ikone aus den Achtzigern, war einst für Max ein großes Idol; die desillusionierende Begegnung mit dem Sänger öffnet ihm die Augen für die wirklich wichtigen Dinge im Leben.

Wie so oft bei liebenswerten Komödien dieser Art liegt die große Qualität nicht zuletzt im Detail. Da Max den Widrigkeiten des Daseins gern mit Ironie begegnet, sind die Dialoge ein großes Vergnügen. Sehr hübsch sind auch die Einfälle am Rande: Zu den Dingen, die Max aus der Redaktion mitnimmt, gehört unter anderem ein großer roter Sitzball. Anfangs platziert ihn er neben sich auf der Parkbank, dann attackiert er ihn mit einer Kuchengabel, schließlich kickt er den Ball ihn in den Ententeich, wo er fortan zusehends verkümmert. Ähnlich amüsant sind die Szenen mit den tätowierten Kleiderschränken im Fitness-Center, die die Sprüche dieses Leichtgewichts, das sich für einen Denksportler hält, nur bedingt lustig finden. Für Tempo sorgt die muntere Musik von Biber Gullatz und Moritz Freise; auch die gelegentlichen Pop- und Rocksongs sind wohlüberlegt eingesetzt. John Ashs Hit "Follow your heart" ist allerdings eigens für diesen Film geschrieben worden, und ein Konzertbesuch ist auch nicht möglich: Die Figur ist reine Fiktion.