Sie sind Mitbegründer des Netzwerks "Südheide gegen Rechtsextremismus" und sie haben im April gegen das Treffen der Ludendorffer (völkisch-deutschgläubig orientierter Bund für Gotterkenntnis) in Dorfmark demonstriert.
Wilfried Manneke: Die Demo wurde durchgeführt vom breit aufgestellten "Bündnis gegen Ludendorffer". Dazu gehört auch unser "Netzwerk Südheide gegen Rechtsextremismus", das vornehmlich im Landkreis Celle tätig ist. Es hat einen Leitungskreis von fünfzehn Personen und einen Unterstützerkreis von 500 Personen.
Wer sind die Ludendorffer?
Manneke: Die Ludendorffer sind eine rechtsextreme Weltanschauungsgemeinschaft. Sie teilen die Menschheit in Lichtrassen und Schachtrassen ein. Die Lichtrassen sind die nordischen Volker. Sie sind dazu bestimmt, zu herrschen. Die Schachtrassen dagegen haben nur zu dienen. Die unterste Schachtrasse seien die Juden, behaupten die Ludendorffer. Das deutsche Volk sei durch Kommunismus, Freimaurer und Christentum entwurzelt worden. Dadurch habe "Juda" ein leichtes Spiel. Die "jüdische Schachtrasse" schädige über eine "verjudete christliche Erziehung" deutsche Kinder. Dagegen müssten die "Lichtrassen" mit ihrem "Recht des Stärkeren" vorgehen.
Warum sind die Ludendorffer eine Bedrohung?
Manneke: Rechtsextreme treten mit Füßen, was für uns einen hohen Wert hat, nämlich die Unverletzbarkeit der Menschenwürde, die Garantie der Menschenrechte, die Gleichberechtigung aller Menschen und ihre Gleichstellung und Gleichbehandlung. Rechtsextreme betonen genau das Gegenteil. Sie betonen eben nicht die Gleichheit aller Menschen, sondern ihre Ungleichheit. Ausgangspunkt ihrer Überzeugung ist die Rassenideologie des Nationalsozialismus. Auch die heutigen Nazis folgen dieser Ideologie der Ungleichheit. Sie beurteilen Menschen nach Hautfarbe, Religion oder kulturellem Hintergrund. Sie verurteilen Schwule und Obdachlose. Sie attackieren Menschen mit anderen politischen Überzeugungen. Sie unterscheiden sogar - wie damals - zwischen lebenswerten und lebensunwertem Leben.
"Jeder Mensch ist von Gott gewollt, ohne Unterschied"
Was sagen Sie als Christ dazu?
Manneke: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Das ist der bekannteste Satz des Grundgesetzes. Dieser Satz steht im guten Einklang mit dem biblischen Menschenbild. Deshalb betonen wir Christen auch immer und immer wieder, dass jeder Mensch ein Original Gottes ist und seinem Ebenbild entspricht. Jeder Mensch ist von Gott gewollt, ohne Unterschied. Deshalb darf die Menschenwürde auch nie auf eine Gruppe von Menschen beschränkt werden. Alle Menschen sind von Gott geschaffen und somit auch gleich viel wert. Darum widersprechen wir auch der Ideologie der Ludendorffer. Sie steht in krassem Gegensatz zu unserem Grundsatz, dass Gott der Schöpfer aller Menschen ist, unabhängig von Hautfarbe, Religion oder kulturellem Hintergrund.
Was tun Sie gegen die Tagungen der Ludendorffer?
Manneke: Die Ludendoffer tagen immer von Karfreitag bis Ostersonntag in Dorfmark. An allen drei Tagen führt unser "Bündnis gegen Ludendorffer" mehrstündige Mahnwachen vor dem Tagungshotel durch. Zum Bündnis gehören u.a. Gewerkschaften, politische Parteien, antifaschistische Initiativen und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN/BdA).
Sie wurden 1983 Pastor in Südafrika, noch zur Zeit der Apartheid. Sie haben gemeinsam mit Weißen, Farbigen und Indern Gottesdienst gefeiert. Hat es Schwierigkeiten gegeben mit den Behörden?
Manneke: Als Auslandspfarrer der EKD betreute ich von 1983 bis 1989 eine deutsch- und eine englischsprachige Gemeinde im Zululand. Die englischsprachige Gemeinde setzte sich aus elf Nationen zusammen, auch Farbige und Inder gehörten dazu. Eigentlich sollte es Kirchengemeinden, die sich aus Mitgliedern unterschiedlicher Hautfarben zusammensetzen, im Apartheitsstaat nicht geben. Es wurde nur erduldet, hatte für mich aber zur Folge, dass ich alle drei Monate mein Arbeitsvisum neu beantragen musste und unter Beobachtung der Security-Police stand.
Die englischsprachige Gemeinde war Mitglied des Zululand Council of Churches (ZCC), einer Regionalgruppe des Südafrikanischen Kirchenrates. So konnte ich mich im Zululand auch in der Ökumene engagieren. Ich war auch mehrere Jahre stellvertretender ZCC-Vorsitzender.
Mein langjähriger Aufenthalt in Südafrika, noch zur Zeit der Apartheid, hat mich sensibel gemacht für Themen wie Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. In Südafrika wurden mir die Augen dafür geöffnet, dass wir Christen uns zu politischen und gesellschaftlichen Fragen äußern müssen. In Südafrika habe ich Theologen erlebt, die das auch überzeugend praktiziert haben, wie zum Beispiel Wolfram Kistner oder Christiaan Beyers Naudé. Beide kannte ich auch persönlich.
Erinnern Sie sich an ein Erlebnis, das verdeutlicht, welche Auswirkungen die Apartheitspolitik auf die Menschen in Südafrika hatte?
Manneke: In Eshowe hatte ich bei einer jungen Engländerin Gesangsunterricht. Sie lebte mit einem Farbigen zusammen. Die beiden hatten zwei Kinder. Heiraten durften sie aber nicht. Es war Weißen nicht erlaubt, Menschen mit einer anderen Hautfarbe zu heiraten.
Eigentlich durfte ihr farbiger Lebenspartner auch nicht im weißen Wohngebiet leben. Nur Dienstboten war es erlaubt. So hat sie ihn schließlich bei den Behörden als Gartenboy angemeldet, nur damit er bei ihr und den Kindern wohnen konnte.
Die ganze Apartheitspolitik Südafrikas war eine tiefe Missachtung der Menschenwürde und eine schwerwiegende Verletzung allgemeiner Grundrechte. An dem Konzept haben damals auch weiße, südafrikanische Theologen mitgearbeitet. Sie haben sogar biblische Geschichten herangezogen, um die Rechtmäßigkeit der Rassentrennung zu begründen. Kritiker bezeichneten ihr Konzept der Apartheid mit Recht als Häresie. Es war eine Irrlehre.
"Ich war empört!"
Wie sind Sie damit umgegangen, dass Sie die Security Police überwacht hat?
Manneke: Ich musste aufpassen. Ich konnte jederzeit aus dem Land verwiesen werden. Das wäre für mich schlimm gewesen. Immerhin war ich mit einer Südafrikanerin verheiratet. Ziviler Ungehorsam kam für mich also nicht in Frage. Ich musste anders handeln. Ich fand auch schnell für mich den passenden Weg. Zu meiner Gemeinde in Eshowe gehörten ja bereits Menschen unterschiedlicher Hautfarben: Weiße, Inder und Farbige. Es gab in der Gemeinde aber keine Schwarzafrikaner. Die Zulus hatten ihre eigenen Gemeinden. In Absprache mit den schwarzafrikanischen Nachbarpfarrern haben wir dann damit begonnen, alle drei Monate gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Die Gottesdienste fanden reihum in den lutherischen Kirchen statt, mal bei den Zulus und dann wieder bei uns. Meine englischsprachige Gemeinde hat das voll mitgetragen. In meiner deutschsprachigen Gemeinde gab es aber Widerstand.
Nach Ihrer Rückkehr aus Südafrika kamen Sie nach Unterlüß in der Lüneburger Heide. Wann bekamen Sie erstmals mit, dass es da rechtsextreme Umtriebe gab?
Manneke: Ziemlich bald: Der Gemeindebeirat meiner Kirchengemeinde in Unterlüß hatte den katholischen Pfarrer Johannes Lossau eingeladen. Er sollte uns etwas über "Hetendorf 13" erzählen. Das war ein Neonazi-Schulungszentrum mit 300 Betten und lag nur zwanzig Kilometer von Unterlüß entfernt. Der Betreiber war der bereits verstorbene Hamburger Rechtsanwalt und NPD-Aktivist Jürgen Rieger.
Gegen dieses Zentrum hatte Johannes Lossau schon Anfang der neunziger Jahre gemeinsam mit weiteren Mitstreiterinnen und Mitstreitern den "Arbeitskreis gegen Hetendorf 13" gegründet: An dem Abend in Unterlüß berichtete Lossau, dass es im Umkreis von 40 km auch vier Neonazi-Kameradschaften geben würde: Ich war empört! Ich musste unwillkürlich an die rechtsextreme Organisation "White Power" denken, deren Ziel es ist, die frühere Apartheitspolitik Südafrikas auf die ganze Welt zu übertragen. Ich wusste ja aus Südafrika, was Apartheid anrichtet, und wie verletzend sie ist. Somit konnte ich gar nicht anders, als mich in der Lüneburger Heide gegen Rechtsextremismus zu engagieren!
Ich bin also sofort zu Johannes Lossau hin und habe ihm gesagt: "Sie haben ab heute einen neuen Mitstreiter: und zwar mich!" Und von da an habe ich jeden Freitag an den Mahnwachen teilgenommen. Mit dabei waren auch die beiden evangelischen Pastoren: Hartmut Bartmuß von der der SELK (Selbstständig Evangelisch-Lutherische Kirche) und Klaus Burckhardt, damals Friedensbeauftragter der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers.
Erst 1998 hat das Land Niedersachsen das Neonazi-Zentrum "Hetendorf 13" wegen Verfassungswidrigkeit geschlossen.
Was treibt Sie an?
Manneke: "Nächstenliebe verlangt Klarheit!" Unter diesem Motto wendet sich die Evangelische Kirche in Deutschland gegen den Rechtsextremismus. Ich bin dankbar, dass die Kirche hier so deutlich und klar Stellung bezieht. Nächstenliebe verlangt Klarheit. Sie verlangt, dass wir klar hinsehen, klar reden und klar handeln. Wir können uns nicht vornehm heraushalten, wo wir rechtsextreme Meinungen hören. Wir müssen Stellung beziehen.
Was haben sie als nächstes vor in der Region?
Manneke: Am 22. Juni 2019 findet in Eschede, auf dem Hof des Landwirts und NPD-Aktivisten, Joachim Nahtz, wieder eine rechtsextreme Sonnwendfeier statt. Wir führen ab 14 Uhr vor der Abbiegung zum Hof eine Mahnwache durch. Wir stehen an der Landesstraße L281 zwischen Eschede und der Marinesiedlung, an der Abbiegung "Zum Finkenberg". Wir würden uns freuen, wenn viele Mitbürgerinnen und Mitbürger unserem Aufruf zur Demo gegen Rechtsextremismus folgen und nach Eschede kommen würden.