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TV-Tipp: "Eden" (ARD)
8.5., ARD, 20.15 Uhr
Es ist aller Ehren wert, dass Arte und die ARD eine Produktion wie "Eden" in Auftrag geben; noch respektabler ist jedoch womöglich die Tatsache, dass das "Erste" die Serie tapfer an zwei Abenden ab 20.15 Uhr zeigt, obwohl sie davon ausgehen muss, dass sich die Akzeptanz in Grenzen halten wird.

Die sechs Teile werden zwar im Rahmen des "Filmmittwochs" ausgestrahlt, der die Zuschauer öfter mal mit schwerer Kost konfrontiert, aber es ist gar nicht mal das anspruchsvolle Flüchtlingsthema, das einem Erfolg im Weg stehen wird. Eine horizontal erzählte Serie, die nicht aus in sich abgeschlossenen Episoden besteht, sondern im Grunde ein Spielfilm in sechs Teilen ist, muss verschiedene Voraussetzungen erfüllen, um ihr Publikum bei Laune zu halten: eine spannende Geschichte, reizvolle Figuren, interessante Darsteller und eine Binnendramaturgie, also eigene Spannungsbögen innerhalb der einzelnen Folgen, die zudem nach Möglichkeit offen enden, um die Neugier auf die Fortsetzung zu wecken. "Eden" hat nichts davon zu bieten.

Dabei ist schon die Anzahl der Menschen, die der Entwicklung des Drehbuchs beteiligt waren, imposant, aber vielleicht liegt genau hier das Problem. Chefautor Constantin Lieb hatte sechs Koautorinnen und –autoren (Idee: Jano Ben Chaabane, Felix Randau). Da sich öffentlich-rechtliche Redaktionen bekanntermaßen auf meist erhebliche Weise in eine Produktion einmischen, kommen noch weitere sechs Namen hinzu (die Serie ist in Zusammenarbeit von SWR, Arte France, Arte Deutschland sowie der ARD-Tochter Degeto entstanden). Kein Wunder, dass das Endprodukt nicht wie aus einem Guss wirkt, selbst wenn der deutsch-französische Regisseur Dominik Moll alle Folgen gedreht hat.

"Eden" betrachtet das Thema Flucht aus verschiedenen Perspektiven, die auch die jeweiligen Handlungsstränge bilden. Folge eins beginnt an der griechischen Küste: Ein deutsches Lehrerehepaar (Wolfram Koch, Juliane Köhler) wird im Urlaub Zeuge, wie ein völlig überladenes Schlauchboot mit Geflüchteten ankommt. Es folgt der Vorspann, anschließend spricht eine Frau, scheinbar Journalistin, in einem Flüchtlingslager in die Kamera. Tatsächlich handelt es sich bei Hélène (Sylvie Testud) um die Leiterin des griechischen Camps. Sie möchte noch weitere Einrichtungen dieser Art eröffnen und hofft auf Unterstützung aus Brüssel, ist aber auf die Hilfe eines Frankfurter Finanziers angewiesen, der sie dazu überreden will, mit einer europäischen Security-Firma zu kooperieren; später wird er sie hintergehen. Eine weitere Ebene verfolgt das Schicksal zweier junger Schwarzafrikaner aus Hélènes Camp. Die Brüder wollen sich nach England durchschlagen. Sie brechen ins Büro der Lagerleitung ein, klauen ein paar Tablets und legen Feuer. Bei der anschließenden Flucht kommt der ältere ums Leben; für den jüngeren, Amare (Joshua Edoze), beginnt eine Odyssee quer durch Europa. Zur gleichen Zeit hat das Mannheimer Ehepaar sehr zum Missfallen des halbwüchsigen Sohnes einen jungen Syrer aufgenommen; der Widerwillen des Jungen äußert sich in pubertären Protestaktionen. Eine syrische Familie versucht derweil, in Paris heimisch zu werden.

Insgesamt gibt es sechs Handlungsstränge, die zumindest theoretisch das Zeug für einen jeweils eigenen Film hätten, und das ist ein weiteres Problem der Serie: Sie wirkt, als hätten sich die beteiligten Redaktionen nicht einigen können, wo gekürzt werden sollte, weshalb am Ende auf nichts verzichtet worden ist; "Eden" ist viel zu lang, und das nicht nur in einzelnen Szenen. Das entscheidende Manko ist jedoch das Fehlen einer integrativen Figur, bei der die Fäden im dramaturgischen Sinn zusammenlaufen. Gerade eine Serie dieser Konzeption braucht eine zentrale Rolle, die zudem zur Identifikation einlädt. In dieser Hinsicht hat "Eden" jedoch nichts zu bieten, zumal es auch keine echten Sympathieträger gibt; Molls ohnehin recht konventionelle Inszenierung lässt außerdem kaum emotionale Spannung entstehen. Immerhin weckt das Schicksal des völlig auf sich allein gestellten Amare Mitgefühl, und die Ebene mit der syrischen Familie entwickelt einen gewissen Nervenkitzel, weil der Mann ein finsteres Geheimnis hütet und sich aus gutem Grund vor den Gegnern des Assad-Regimes fürchtet. Aber selbst die gegen Ende offenbarte Verbindung zwischen dem jungen Syrer in Mannheim und der Familie in Paris ändert nichts daran, dass die verschiedenen Stränge ansonsten unverbunden nebeneinander her laufen. Die Erzählweise mutet zudem sehr sprunghaft an, zumal die Abstecher wahlweise umständlich erzählt oder mitunter gerade mal lang genug sind, um Hélène dabei zu zeigen, wie sie im Hotelzimmer den Rauchmelder von der Decke nimmt, um sich ungestört eine Zigarette anzünden zu können.

Weil mittlerweile selbst Arte trotz seines winzigen Marktanteils Rücksicht auf die Mainstream-Erwartungen nimmt, sprechen sämtliche Mitwirkenden ein perfektes Deutsch, auch untereinander, ganz gleich, ob sie aus dem Nahen Osten oder dem fernen Afrika stammen; die Qualität der Synchronisierung ist jedoch wechselhaft. Wenigstens bietet die ARD in ihrer Mediathek neben der TV-Version auch eine Originalfassung mit Untertiteln an.