Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Der gute Weg" (ARD)
5.5., ARD, 20.15 Uhr
Einen Grimme-Preis wie zuletzt für "Meta", den raffinierten Film-im-Film-Krimi, wird es für "Der gute Weg" nicht geben, aber auch dieser "Tatort" aus Berlin hat seine Meta-Ebene, zumal die Geschichte immer wieder verblüffende Wendungen nimmt.

Die Handlung beginnt mit einem Routineeinsatz, der völlig aus dem Ruder läuft: Eine uniformierte Streife soll sich um eine nächtliche Ruhestörung kümmern. Der erfahrene ältere Polizist und seine junge Partnerin werden von Tolja, einem jungen Mann im Einsatzpraktikum, begleitet. Wider Erwarten trifft das Trio auf das Drogennest eines libanesischen Clans, es kommt zu einem Schusswechsel. Zwei tödliche Kugeln treffen die Polizistin und den Praktikanten, der ältere Beamte wird im Bein getroffen; einer der beiden Dealer stirbt ebenfalls, der andere kann fliehen. Der Praktikant hat allerdings Glück im Unglück: Er trug als einziger eine Schutzweste. Das ist die erste Überraschung. Die zweite: Tolja Rubin (Jonas Hämmerle) ist der Sohn von Hauptkommissarin Nina Rubin (Meret Becker), und weil er das Erlebnis anscheinend besser verkraftet als seine Mutter, wendet er sich mit seinem Verdacht lieber an den Kollegen Karow (Mark Waschke). Tolja hat das Gefühl, dass bei dem Einsatz irgendwas nicht gestimmt hat, und auch Karow wundert sich, dass der junge Dealer Yakut (Rauand Taleb) die jungen Polizisten gezielt töten wollte, den älteren Kollegen Stracke (Peter Trabner) jedoch offenbar ganz bewusst bloß ins Bein geschossen hat. Als sich rausstellt, dass Yakut für die Drogenfahndung arbeitet, steht das Duo Karow und Rubin endgültig vor einem Rätsel.

Ein besonderes Merkmal dieses Krimis von Christoph Darnstädt (Buch) und Christian von Castelberg (Regie) ist der Genrewechsel: "Der gute Weg" beginnt als Gangsterfilm und wandelt sich mehr und mehr zur Familientragödie. Im Unterschied zu den früheren "Tatort"-Episoden aus Berlin ist endlich auch die private Ebene von Nina Rubin sinnvoll in die Handlung integriert. Gerade in der Anfangszeit wirkten die entsprechenden Nebenstränge regelmäßig wie Fremdkörper, die vom eigentlichen Fall ablenkten. Dass der bislang stets renitente Tolja, der eher aus der Art zu schlagen schien, eine Polizeiausbildung absolviert und nicht etwa in den gehobenen Dienst, sondern Schutzpolizist werden will, kommt allerdings etwas unerwartet. Immerhin erhält der Fall auf diese Weise eine weitere persönliche Ebene: Tolja hat früher bei Yakut Drogen gekauft. Dass sich seine Mutter große Sorgen um sein Seelenheil macht, ist ohnehin völlig verständlich und weitaus nachvollziehbarer als die Ohrfeige, die sie dem Kollegen Karow verpasst, als der ihr Verhalten gluckenhaft nennt. Derart unrealistische Details ziehen sich durch die gesamte nunmehr vierjährige Geschichte des "Tatort" aus Berlin. Sie sind genauso überflüssig wie die soziopathischen Anwandlungen Karows, der regelmäßig aus der Rolle fällt; kein Wunder, dass die attraktive Rechtsmedizinerin Nasrin (Maryam Zaree) nicht nur ihre Affäre mit dem Hauptkommissar beendet, sondern gleich auch noch den Dienst quittiert.

Vielleicht glauben die Verantwortlichen ja, diese Mätzchen wären nötig, um das Duo von den anderen "Tatort"-Teams abzuheben. Die Filme haben es in der Regel allerdings gar nicht nötig, auf diese Weise aufgemotzt zu werden. Das gilt auch für "Der gute Weg", denn die Ermittler bekommen es mit einem weiteren Todesfall zu tun, der bereits ein Jahr zurück liegt und als abgeschlossen gilt: Damals ist Strackes Sohn durch äußerst unglückliche Umstände ums Leben gekommen. Der Vorfall hat den erfahrenen Polizistin und seine junge Partnerin Sandra (Anna Herrmann) noch enger zusammengeschweißt. Die junge Frau ist in einem Heim aufgewachsen und hat im Ehepaar Stracke offenbar Ersatzeltern gefunden, was die Ermittler gar nicht glauben können, denn sie war maßgeblich am Tod des Sohnes beteiligt. Karow spricht angesichts des undurchsichtigen Beziehungsgeflechts von "Ringelpiez", bei dem praktisch alle Beteiligten irgendwas zu verbergen haben, aber es ist natürlich ein tödlicher Ringelpiez; und das nicht nur wegen des knallharten Einstiegs. Die überraschende Auflösung wiederum legt die Frage nahe, ob Darnstädt, der unter anderem alle Drehbücher für die Hamburger "Tatort"-Episoden mit Til Schweiger geschrieben hat, zu seiner Geschichte womöglich durch den Hitchcock-Klassiker "Der Fremde im Zug" (nach dem Roman von Patricia Highsmith) inspiriert worden ist. Dazu würde auch der unerwartete Humor passen, wenn Karow zum Beispiel seine Kollegin fragt, ob sie "’Tatort’ gucken" wolle (er meint die Fotos vom Verbrechen) oder wenn sich Strackes Vorgesetzter (Rainer Reiners) mit wenig Erfolg als Klempner versuchen muss. Trotz dieser gelegentlichen Humorismen überwiegt die düstere Seite. Am Ende führt Stracke dem jungen Tolja ernüchternd vor Augen, worauf er sich bei der Schutzpolizei einlassen würde: weil man auf Streife ständig mit dem Schlimmsten rechnen muss.