Schwesternkurs
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Schwesternkurs Ende der 1940er Jahre. Das 150-jährige Bestehen der Sarepta-Schwesternschaft in Bethel wird im Mai 2019 mit einem Festwoche gefeiert.
Dem Leben Sinn und Tiefe geben
Sarepta-Schwesternschaft feiert 150-jähriges Bestehen
Tracht und Zölibat sind in der Sarepta-Schwesternschaft schon lange keine Pflicht mehr, geblieben ist die Verbundenheit im Glauben und diakonischen Handeln. Festveranstaltungen würdigen im Mai das 150-jähriges Bestehen der Schwestern.

Der Wunsch nach gelebter Spiritualität in Frauengemeinschaft hat Stefanie Pfeil zur Sarepta-Schwesternschaft geführt. "Mir gefällt, dass sich Frauen von außen der Gemeinschaft anschließen können." Frauen könnten mit unterschiedlichen Berufen und Lebensformen der Schwesternschaft angehören, berichtet die Familientherapeutin und Mutter. Nach anderthalb Jahren als Anwärterin wird die 53-Jährige Anfang Mai in die Schwesternschaft in Bielefeld-Bethel aufgenommen, zusammen mit sechs weiteren Frauen.

So unterschiedlich die Lebenswege sind: Diakonisches Engagement und der christliche Glaube verbinden die Schwestern. Die Frauen, die zum Großteil ihren eigenen Wohnsitz behalten, sind im Haupt- oder Ehrenamt unter anderem in Pflegeheimen, Hospizen und der Mutter-Kind-Arbeit tätig. 110 Schwestern sind in den vergangenen zehn Jahren hinzugekommen. 378 Frauen gehören insgesamt zur Sarepta-Schwesternschaft, die vor 150 Jahren gegründet wurde. Das Jubiläum wird unter anderem mit einem Festgottesdienst am Sonntag mit der westfälischen Präses Annette Kurschus in der Betheler Zionskirche gefeiert.

Unter Gleichgesinnten

Die Gemeinschaft mit gleichgesinnten Frauen, die Sehnsucht, das eigene Leben zu vertiefen und ihm Sinn zu geben - all das seien Gründe, warum Frauen heute der Schwesternschaft beitreten, erzählt die leitende Schwester Anke Frickmann. "Hier sind Frauen, die denken und fühlen wie ich. Und das macht mich stark", bestätigt Diakonisse Mechthild Redeker.

Redeker, Witwe und zweifache Mutter, gehört seit zehn Jahren der Schwesternschaft an. Kurz nach dem Tod ihres Mannes nahm sie Kontakt auf, absolvierte den Basiskurs Diakonie, wurde 2009 als diakonische Schwester aufgenommen und nach einer Weiterbildung zur Diakonisse 2016 eingesegnet. "Der Eintritt in die Schwesternschaft hat mein Leben positiv verändert", sagt die 55-Jährige, die als Gemeindesekretärin in der evangelischen Kirchengemeinde in Bielefeld-Jöllenbeck arbeitet und sich ehrenamtlich in der Seelsorge engagiert.

1996 wurde in einer neuen Lebensordnung die Genossenschaft, Ehelosigkeit und Tracht für die Diakonissen aufgehoben. 2004 wurde die Diakonissenschaft mit den Ravensberger Schwestern als Sarepta-Schwesternschaft vereinigt. "Verheiratet, ledig, in Partnerschaft lebend, mit oder ohne Kinder - es ist unerheblich, in welcher Lebensform die Diakonissen neuer Form leben", erzählt Anke Frickmann.

Diakonissen wichtiger Bestandteil Bethels

Neben 220 diakonischen Schwestern und 52 Diakonissen neuer Form gibt es in der Schwesternschaft noch rund 100 Diakonissen alter Ordnung. Sie verpflichteten sich zu lebenslangem Dienst und Ehelosigkeit, bekamen ein Taschengeld, Kost und Logis und waren im Alter versorgt. Ihren Ruhestand verbringen sie im Haus Abendfrieden in Bielefeld-Bethel. Respekt und Anerkennung für die Lebensleistung dieser Frauen sind in der Schwesternschaft groß.

Bis heute seien die Stiftung und die Diakonissen ein wichtiger Bestandteil Bethels, erklärten auch die von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Mit ihrer "tiefen Bereitschaft zum Dienst" hätten sie wesentlichen Anteil daran, dass Bethel in den ersten Jahren so stark gewachsen sei, sagte Pastorin Johanna Will-Armstrong aus dem Bethel-Vorstand.

1869 wurde das erste Diakonissenhaus von Westfalen in Bielefeld auf Betreiben Bielefelder Bürger gegründet. Nur wenige Jahre später holte Pastor Friedrich von Bodelschwingh die Diakonissen nach Bethel, um qualifizierte Fachkräfte für die Krankenpflege zu haben. 1874 zogen die Frauen in das neu gebaute Mutterhaus, das seit 1876 den Namen "Sarepta" (Schmelzhütte) trägt.  

Die Arbeit als Diakonisse war im 19. Jahrhundert ein alternatives Lebensmodell, das unverheirateten Frauen die Möglichkeit bot, einen Beruf zu ergreifen. Um 1900 lebten etwa 1.000 Diakonissen in Sarepta, 1930 war die Anstalt mit rund 2.500 Diakonissen und diakonische Schwestern das größte Mutterhaus des Protestantismus, wie die von Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel erklären. Seit den 1950er Jahren ging der Nachwuchs allerdings deutlich zurück.

Um Frauen dennoch die Möglichkeit zu geben, sich diakonisch zu engagieren, ohne sich für ein ganzes Leben zu binden, wurde 1953 die Ravensberger Schwesternschaft in der Stiftung Sarepta gegründet. Seit 2004 ist sie mit der Diakonissenschaft als Sarepta-Schwesternschaft vereinigt. Zentraler Ort für die Schwesternschaft ist heute das "Haus der Stille" auf dem Zionsberg in Bielefeld-Bethel. Hier finden tägliche Andachten und gemeinsame Veranstaltungen statt, das Haus ist aber auch offen für Gäste, die spirituelle Angebote nutzen wollen.

"In einer schnelllebigen Zeit bieten wir einen Ort, um zur Ruhe zu kommen", sagt Diakonisse Anke Frickmann. Die Sarepta-Schwesternschaft ist auch ein Kraftort: Eine Gemeinschaft, die Frauen im Arbeits- und Glaubensleben stärkt, theologisch-diakonische Bildung anbietet und für ganz unterschiedliche Frauen ein geistliches Zuhause darstellt.