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TV-Tipp: "Tatort: Wer das Schweigen bricht" (ARD)
3.5., ARD, 22 Uhr
Angesichts der häufigen Wechsel in den letzten Jahren geraten frühere "Tatort"-Teams leicht in Vergessenheit. Die ARD zeigt heute noch mal den Abschiedskrimi mit Nina Kunzendorf (2013). Bei ihrem letzten Auftritt als Paradiesvogel verzichtete die Schauspielerin auf all jene Zutaten, mit denen sie knapp zwei Jahre zuvor für Furore gesorgt hatte.

Damals fegte die Frankfurter "Tatort"-Kommissarin wie ein bunter Orkan über den wohl traditionsreichsten Krimisendeplatz im Deutschen Fernsehen hinweg. Mit ihrer Teenagerkleidung und dem distanzlosen Verhalten wirkte Conny Mey herrlich deplatziert. Nach fünf Filmen war die Figur auf Kunzendorfs Wunsch hin schon wieder Geschichte, und zum Abschluss gibt sich Frau Mey ziemlich zugeknöpft; buchstäblich wie bildlich. Alles andere würde auch unglaubwürdig wirken, denn der Film trägt sich zu großen Teilen im Knast zu: Ein junger Häftling mit libanesischen Wurzeln ist gefoltert und ermordet worden. Bei der letzten Kontrolle am Abend war er angeblich noch lebendig, am nächsten Morgen tot, was nur einen Schluss zulässt: Der Mörder hatte einen Schlüssel zur Zelle. Rasch zeigt sich zudem, dass das Personal des Jugendgefängnisses beim Umgang mit den Gefangenen nicht gerade zimperlich ist. Als Meys Kollege Steier (Joachim Król) erst später erfährt, dass ein weiterer Insasse am selben Abend ebenfalls gefoltert worden ist, wirkt das angeblich perfekte Reformsystem des Anstaltsleiters (Sylvester Groth) und seiner Mitarbeiter endgültig nicht mehr besonders überzeugend. "Wer das Schweigen bricht, nimmt den Tätern die Macht" steht als Parole im Gruppenraum. Aber natürlich redet niemand.

Der Regisseur Lars Kraume hatte bis dahin alle fünf Drehbücher für das Team Mey/Steier geschrieben. Sie basierten ausnahmslos auf wahren Begebenheiten. Inszeniert hat den Krimi Edward Berger, der gerade die Knastszenen in düsteres Licht taucht (Kamera: Armin Alker), was die Gegenlichtaufnahmen besonders reizvoll wirken lässt. Die Bildgestaltung ist dabei nie bloß kunstvolle Spielerei; wenn Conny Mey einsam und verloren im Gefängnisflur zurückbleibt, passt das bestens zur Geschichte. Im Vordergrund steht allerdings Frank Steier, den Joachim Król womöglich noch einsamer und eigenbrötlerischer anlegt als in den vier Filmen zuvor. Aber natürlich nagt auch die Wehmut am Hauptkommissar, der die Kollegin in der berührendsten Szene wie ein verlassener Ehemann beschwört, ihre Entscheidung zu überdenken: Sie will als Ausbilderin an eine Polizeischule wechseln.

Selbstredend sorgt der angekündigte Abschied für zusätzliche Spannung, zumal Mey zunächst nicht dazu kommt, Steier über ihre Pläne zu informieren. Zentrum der Geschichte sind allerdings der Fall und damit die Zu- und Missstände im Gefängnis. Berger und seinen Darstellern gelingen dabei manche Kabinettstückchen; gerade Steier und die Vollzugsbeamten schenken sich nichts. Die Knackis selbst sind eher stereotyp geraten, aber vermutlich entspricht das Klischee schlicht der Realität. Ausgesprochen eklig sind naturgemäß die Bilder der Folterfolgen; beim Anblick der in Nahaufnahme gezeigten extrahierten Fußnägel vergeht einem schlagartig der Appetit.

Umso beredter sind andere Details, etwa die leeren Bierdosen in Steiers Auto; oder sein schiefgeknöpftes Hemd. Die Kollegin, der das sofort auffällt, will Steier umgehend an die Wäsche, um den Fauxpas zu beheben. Der Kommissar hatte noch zwei Solofälle; seit 2015 ermittelt das Duo Janneke und Brix (Margarita Broich, Wolfram Koch) in Frankfurt.