Johannes 14,1–7
Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass auch ihr seid, wo ich bin. Und wo ich hingehe, dahin wisst ihr den Weg.
Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.
Liebe Fastengemeinde,
die Fastenzeit strebt ihrem Höhepunkt zu. Die Osterfeiertage stehen vor der Tür. Mit Gründonnerstag beginnt der Reigen der vielen so unterschiedlichen Feste. Allerdings stehen vor der großen Freude zunächst noch Schmerz und Tod. Die Wahrheit ist, dass wir in dieser Woche auf den Tod Jesu zusteuern. In den Evangelien scheint es, dass selbst seine Jünger bis zum Schluss nicht recht daran glauben wollen. Dabei kündigt Jesus es immer wieder an. Vielleicht ist diese Wahrheit eine zu traurige oder erschreckende, als dass man sich ihr stellen möchte: Am Ende steht der Tod. Noch am Abend der Gefangennahme Jesu tönt Petrus gegen das an, was kommen wird.
Vielleicht spielt Jesus auf diese Haltung an, die der Wahrheit nicht ins Gesicht schauen will, als er die Worte sagt, die für unsere letzte Woche ausgesucht worden sind: „Euer Herz erschrecke nicht!“ Jesus beruhigt die Gemüter. Es ist eigentlich doch ganz einfach: „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ Das Ziel ist bei Gott, und dort ist genügend Platz für alle: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.“ Und dann folgt die Erinnerung an das Versprechen: „Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten.“ Man meint fast, Jesus sprechen zu hören: Mit freundlicher Stimme, ermutigend und anscheinend unermüdlich wiederholt er immer wieder das, worauf es ankommt: Bleibt bei mir, folgt mir! „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Ihr könnt gar nicht falsch gehen, wenn ihr euch an mich haltet. Denn ich gehe voran.
Das sind wirklich freundliche Worte. Und natürlich kennen wir die Geschichte und wissen, dass an ihrem Ende nicht der Tod steht. Mit der nächsten Woche kehrt das Leben zurück. Bunter und herrlicher als jemals zuvor. Das ist die Wahrheit, von der Jesus redet: Er wird sterben, aber er wird nicht tot bleiben. Dadurch, dass er durch die Dunkelheit vorangeht auf dem Weg zu Gott, macht er sozusagen das Licht an für alle, die ihm nachfolgen. In Wahrheit ist der Tod ein Teil des Weges und nicht das Ende. Selbstverständlich sträubt sich bei solchen Worten die Erfahrung. Unser Horizont ist einfach zu beschränkt, und so sagt Thomas zu Recht: „Wir wissen nicht, wo du hingehst.“ Hinter den Tod können wir nicht sehen. Wie können wir wissen?
Wir können es nicht wissen. Aber wer Jesus zugehört hat, wer ihm nachgefolgt ist, der kennt seine Wahrheit. Wahr ist, dass Gott seine Schöpfung über alle Maßen liebt. Wahr ist, dass jeder, der Jesus erlebt, diese Liebe hautnah spüren kann. Wahr ist, dass Jesus sterben muss. Wahr ist, dass die Liebe größer ist als der Hass und das Leben größer als der Tod. Darum: „Euer Herz erschrecke nicht!“
Liebe Weggefährten, liebe Weggefährtinnen, wir haben wochenlang gemeinsam auf Lügen verzichtet, wo sie gefährlich werden können. Wir haben der Wahrheit die Ehre gegeben, weil sie unser Zusammenleben fördert, ebenso wie das Leben mit uns selbst. Wir haben versucht, Lügen aus dem Weg zu räumen, um den Blick auf die Wahrheit frei zu machen, damit wir uns nicht von unseren Ängsten leiten lassen. Nun sind wir endgültig an dem Punkt angelangt, an dem wir erkennen, dass die Wahrheit größer ist, als wir messen können. Die Wahrheit steht außerhalb von Fakten und Lügen, weil sie sich aus einer Überzeugung speist: Wir sind unendlich geliebt. Das ist die Wahrheit des christlichen Glaubens. Sie kann erschüttert und infrage gestellt werden, aber sie wird immer wahr bleiben. Und jedes Jahr wieder feiern wir zu Ostern, dass es so ist.
Darum habe ich nur eine einzige letzte Idee für Sie in dieser Woche: Gehen Sie, so oft es geht, in die Gottesdienste, die vor uns liegen! Trauen Sie sich ruhig am Karfreitag, und versäumen Sie um Himmels willen nicht den Gottesdienst zu Ostern!
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit. Haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit über die sieben Wochen! Wenn Sie mögen, können Sie mir gern von Ihren Eindrücken schreiben. Ich kann nicht versprechen, dass ich Ihnen antworten werde, aber ich freue mich über Ihre Gedanken.
Alles Liebe!
Ihr Frank Muchlinsky