Im April 1969 veröffentlicht Elvis Presley in Deutschland einen Nummer-1-Hit: "In the Ghetto". Hanne Weigang ist damals 14 Jahre alt. Ihre Mutter arbeitet in einem Modehaus in Herborn. "Sie legte sehr viel Wert darauf, dass meine Schwester und ich gut angezogen waren", erzählt Hanne Weigang, die am Sonntag, den 14. April 2019, ihre Goldene Konfirmation feiert.
Zu ihrer Konfirmation 1969 trägt die 14-jährige Hanne ein schwarzes enges Kleid mit weißem Rüschen-Kragen, das über den Knien endet. Hannes Pfarrer hieß Zipp und war auch ihr Religionslehrer.
Der 14-jährige Dieter Kress trägt einen schwarzen Anzug mit Fliege. Jungen sehen in diesem Alter mehr wie Jungen aus; Mädchen eher wie junge Frauen: Doch beide werden mit ihrer Konfirmation "religionsmündig", dürfen von nun an ein Patenamt übernehmen und den Kirchenvorstand wählen.
Hanne hatte mit den Stöckelschuhen ihrer Schwester einen langen Spaziergang durch Gießen gemacht und kaum noch laufen können, bevor sie konfirmiert wurde. Auf Konfi-Freizeit in Limburg hatte sie mit ihren Mitkonfirmanden einen fünf-Liter-Stiefel Bier getrunken und das Gesicht voller Schaum gehabt. Einige ihrer Mitkonfirmanden lernten auf dieser Freizeit ihr Bett selbst zu beziehen, lacht Hanne Weigang, sie weiß es noch, weil sie sich alle gegenseitig halfen.
Für Dieter Kress war seine Konfirmation ein vorgezeichneter Weg. Er war im Kindergottesdienst und in der Jugendschar gewesen. "Unser Pfarrer war ein netter, lieber Kerl. Aber alles andere als ein 68er", sagt Dieter Kress. Er erinnert sich daran, dass sie mal Fußball spielten mit dem Pfarrer. Vor allem mussten sie den Katechismus auswendig lernen. Doch Neues, das musste man selbst einbringen und dann dran bleiben, sagt er. Mit 24 Jahren wählten die Gemeindeglieder Dieter Kress zum Kirchenvorsteher.
Der Pfarrer, der Hanne und Dieter in der Stadtkirche in Langen während ihrer Goldenen Konfirmation begleitet, heißt Christian Mulia. Gemeinsam mit der Koordinatorin des Begegnungszentrums Katharina-von-Bora-Haus in Langen hat er das Programm rund um das anstehende Ritual geplant. Die beiden Hauptamtlichen sehen sich allerdings mehr als Begleiter: "Wir haben vorgeschlagen, einen Abend vor dem Gottesdienst zu grillen", erzählt Christian Mulia. Aber die Goldenen Kofirmanden wünschten sich einen "Retro-Abend". Nun gibt es russische Eier, Hawaii-Toast und Pfirsich-Bowle.
Seit der Zeit der Weimarer Republik ist die Goldene Konfirmation ein regelmäßiges Ritual in der evangelischen Kirche. Die Konfirmation markierte den Eintritt in die Arbeitswelt, die Goldene Feier den Austritt daraus. "Ein so klarer Austritt ist das aber heute nicht mehr", sagt Friederike Geppert vom Begegnungszentrum. Die Menschen, die heute ihre Goldene Konfirmation feierten, seien mit 64 Jahren zwar nach wie vor an der Schwelle zu ihrer dritten Lebensphase. Doch viele seien darauf wesentlich besser vorbereitet, als das vergangene Generationen gewesen seien. "Die Leute sind aktiv, planen ihren Ruhestand, wollen gestalten", diesem Anspruch sollten die evangelischen Gemeinden gerecht werden, sagen Mulia und Geppert.
Sie selbst versuchen es, in dem sie ihre Unterstützung für die Ideen der Gemeindeglieder anbieten und in dem sie versuchen, die Generationen miteinander zu vernetzen. Beispielsweise treten im Gottesdienst zur Goldenen Konfirmation vier "Grüne", vier junge Leute auf, die im Mai 2019 konfirmiert werden. Sie hatten von Christian Mulia den Arbeitsauftrag zu überlegen, an welchem Punkt im Leben sie in 50 Jahren stehen wollen.
An Hanne Weigangs Konfirmationsfeier aß die Familie Brandteig in Form eines Schwans, der mit Obst und Sahne gefüllt war. Abends gab es feinverzierte Lachs-Schnitten. 50 Jahre später hat Hanne zwei erwachsene Kinder, hilft bei einem regelmäßigen Essen für Senioren in ihrer Gemeinde und singt im Chor. Nun überlegt Hanne am Retro-Abend vor ihrer Goldenen Konfirmation, welchen guten Ratschlag sie den jetzigen Konfirmanden für ihre Leben mitgeben möchte.
Dieter Kress ist froh, dass er seine Heimat im Glauben in 50 Jahren behalten hat. Drei Jahre lang war er nicht Mitglied der Kirche, weil er einen einsamen Kampf für den Erhalt des Buß- und Bettages geführt hatte. "Damals habe ich mich alleingelassen gefühlt - von Kirchenleitung, VorstandskollegInnen und dem Pfarrer." Doch heute ist neben dem Glauben auch die Gemeinschaft wieder seine Heimat. Er ist im Bauausschuss, möchte "die herrlichen Kirchbauten" der Stadt erhalten; und vielleicht am Retro-Abend vor seiner Goldenen Konfirmation zu Elvis-Presleys "In the Ghetto" tanzen.