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TV-Tipp: "Tatort: Bombengeschäft" (ARD)
31.3., ARD, 20.15 Uhr
1943 wurde die Kölner Innenstadt durch Flächenbombardements der britischen und der amerikanischen Luftwaffe nahezu komplett zerstört; die erschütternden Fotos aus jener Zeit dokumentieren, dass buchstäblich kaum ein Stein auf dem anderen geblieben ist. Viele dieser Bomben sind jedoch nicht explodiert, und manche lagern noch heute im Kölner Untergrund; eigentlich erstaunlich, dass dieses Sujet im Fernsehfilm bislang so selten thematisiert worden ist. "Bombengeschäft" beweist, dass sich sogar ein Krimi draus machen lässt.

Der Film beginnt mit dokumentarischen Kriegsaufnahmen, die Regisseur Thomas Stiller mit dem Song "Enola Gay" von Orchestral Manoeuvres in the Dark unterlegt hat. Das Lied klingt fröhlich, aber nur, wenn man nicht weiß, wovon es handelt: "Enola Gay" hat einst ein US-Pilot sein Flugzeug genannt, aus dem 1945 die Atombombe auf Hiroshima gefallen ist.

Stillers Drehbuch ist nach einer Idee von Frank Koopmann und Roland Heep entstanden. Geschickt verknüpft der Film die Einführung mit der eigentlichen Handlung: Ein Baggerfahrer hört den OMD-Song bei der Arbeit; in letzter Sekunde macht ihn ein Kollege auf den Blindgänger aufmerksam, den er soeben freigelegt hat. Die Bombe wird routinemäßig geborgen. Allein die spannungssteigernde Musik (Fabian Römer) signalisiert, dass die Sache noch nicht ausgestanden ist: Kurz nach der Bergung kommt es auf dem Gelände des Kampfmittelbeseitigungsdienstes zu einer Explosion; dabei stirbt der erfahrene und allseits geschätzte Mitarbeiter Peter Krämer. Was zunächst wie ein tragischer Unfall wirkt, entpuppt sich als Gewalttat, denn am Tatort finden sich Rückstände einer modernen Handgranate. Für Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär) stellt sich nun die Frage: Mord oder Suizid? Für letzteres spricht nicht allzu viel, selbst wenn die Ehe des Opfers offenbar nicht besonders glücklich war, aber das sagt eine Kollegin (Isabel Thierauch), die auch seine Geliebte war. Als sich die Kommissare noch weiter in das Privatleben des Mannes vertiefen, stoßen sie schließlich auf ein komplexes Beziehungsgeflecht, bei dem alte Kameraden und neue Baugrundstücke eine verhängnisvolle Konstellation ergeben.

Der Film ist gerade wegen der diversen Informationen über das Thema Bombenentschärfung durchaus interessant, aber nach dem fesselnden Auftakt besteht "Bombengeschäft" über weite Strecken ausschließlich aus Dialogen. Das ist für einen TV-Krimi zwar nicht ungewöhnlich, weil die entsprechenden Szenen natürlich preiswerter zu produzieren sind als aufwändige Außenaufnahmen, aber in diesem Fall gibt es besonders viel Erklärungsbedarf. Das liegt vor allem an der Geschichte, die Stiller in erster Linie über die Personen erzählt. Die interessantesten Figuren sind die Witwe sowie ein früherer Kollege des Opfers: Krämer hat seine Frau Alena (Alessija Lause) kennen gelernt, als er nach dem jugoslawischen Bürgerkrieg in Bosnien Bomben entschärft hat; dort hat sein Freund Alexander Haug ein Bein verloren. Der Mann ist dank Sascha Alexander Geršak, noch gut als Kidnapper in "Gladbeck" in Erinnerung, die mit Abstand interessanteste Figur des Films, weil Haug nicht in Verbitterung versinkt, sondern sein Schicksal mit viel Galgenhumor trägt. Er wird in den Fall verwickelt, als die Kommissare einen regelmäßig strömenden Geldfluss zwischen Krämer und ihm entdecken. Die Spur dieses Geldes führt in ein Neubaugebiet und zu einem Geheimnis, das irgendjemand um jeden Preis bewahren möchte.

Dank der guten Schauspieler (unter anderem Ralph Herforth und Adrian Topol als Vater und Sohn vom Kampfmittelbeseitigungsdienst) sind selbst die vielen Dialoge kein Problem. Trotzdem hatte Stiller ("12 Winter"), für sein Drehbuch zu "Unter dem Eis" mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, offenbar das Gefühl, er müsste die Gespräche optisch ein bisschen aufpeppen. Deshalb hat er gemeinsam mit seinem bevorzugten Kameramann Marc Liesendahl ein an den Stil moderner Comics erinnerndes ästhetisches Konzept entwickelt, das zumindest ungewöhnlich ist: In vielen Szenen befinden sich die Schauspieler ganz außen am Bildrand, oft sind ihre Gesichter sogar abgeschnitten. Auf diese Weise entsteht ein Effekt, den viele Zuschauer kennen, wenn sie einen in Cinemascope gedrehten Kinofilm an das 16:9-Format ihres Bildschirms anpassen: Rechts und links fehlt dann ein Stück. Weil die Schärfe auf die Gesichter eingestellt ist, bleibt der Hintergrund diffus, sodass sich zwischen den Köpfen oft eine große Leere auftut. In anderen Dialogszenen nimmt ein Hinterkopf drei Viertel des Bildes ein, sodass für den Gesprächspartner bloß ein kleines Viertel in der Ecke bleibt. Der tiefere Sinn dieser Bildgestaltung erschließt sich zwar nicht, aber einen gewissen Reiz hat sie dennoch. Auch das Licht ist interessant: Die Außenaufnahmen erinnern an italienische Western-Klassiker aus den Siebzigern, die Innenaufnahmen wirken, als scheine eine tief stehende Sonne in die Räume.

Die kunstvolle Optik kann jedoch nicht verhindern, dass es zwischendurch den einen oder anderen Leerlauf gibt; erst recht, wenn die Kommissare für später dazugekommene Zuschauer den Stand der Ermittlungen zusammenfassen. Und der tiefenentspannte Assistent Jütte (Roland Riebeling), der in aller Ruhe seine Stulle isst, während das Telefon klingelt, ist als Figur nach wie vor gewöhnungsbedürftig.