Die Harley, die bald Richtung Rom aufbrechen soll, ist noch nicht viel mehr als ein nacktes Metallgerüst in einem Werkstatthinterzimmer in Würzburg. Doch Thomas Draxler ist trotzdem begeistert. "Jetzt macht sie noch nicht viel her, aber wenn sie fertig ist wird sie grau-weiß lackiert. Und die Speichen werden vergoldet. Das wird ein echtes Einzelstück." Das dieses Motorrad etwas ganz besonderes wird erkennt man auch als Laie – spätestens am auffälligen Kreuz im Schutzblech.
Mit seinem struppigen Bart und den schulterlangen ergrauten Haaren wirkt Draxler auf den ersten Blick wie ein typischer Motorrad-Fan. Doch dann fällt seine schwarze Lederkutte auf. Wo andere Biker Clubabzeichen oder fantasievolle Chapter-Namen tragen, prangt bei dem Schaafheimer ein großes Christus-Monogramm. Dazu kommen noch Psalm-Nummern und eingängige Bibelworte. "Weg, Wahrheit, Leben" steht groß auf dem Rücken, "Bruderschaft mehr als 2.000 Jahre" auf der Seite. Und Draxler ist tatsächlich nicht allein. An diesem Nachmittag haben sich etwa ein halbes Dutzend Jesus Biker in ihren Lederjacken in der schummrigen Werkstatt versammelt. Manche tragen schwere Kreuze um den Hals, andere haben sich christliche Symbole tätowieren lassen. Und alle sind an diesem Samstag im Februar gekommen, um die Harley im Bau zu sehen.
Gegründet wurden die Jesus Biker 2014. Damals begann alles sehr privat. Erst fuhren nur Draxler und sein Sohn in den Jesus-Kutten, um zu zeigen dass ihre Motorrad-Leidenschaft und ihr Glaube für sie zusammengehören. Die Botschaft kam gut an, inzwischen sind die Jesus Biker auf etwa 40 Mitglieder angewachsen. Sie vereinen Gläubige aus allen größeren Kirchen: Katholiken, Evangelische und Orthodoxe. Die einzige Bedingung: Alle Mitglieder müssen getauft sein und sich zum Christentum bekennen. Abgesehen davon beruht alles auf Freiwilligkeit, das ist Draxler wichtig. Die Biker sind kein offizieller Club, es gibt keine festen Treffen, keine Mitgliedsbeiträge und keinen Chef. Zumindest nicht im klassischen Sinne. "Jesus ist unser Präsident", erklärt Draxler. Akute Entscheidungen werden von einem "Ältestenrat" der sechs ersten Mitglieder getroffen. "Bei uns läuft das wie in der Bibel."
Ein "Peace Ride" bis Rom
Die Idee, mit einem selbstgebauten Motorrad den "Peace Ride" nach Rom zu schaffen, kam schon vor einigen Jahren auf. Besonders Besuche bei den Katholikentagen bestärkten Draxler in seinem Plan. Immer wieder kam er mit Leuten ins Gespräch, die sich fragten, wie Gläubige einen neuen Zugang zur Kirche finden könnten. Mit einem christlich geschmückten Motorrad Richtung Vatikan zu fahren sollte "ein Zeichen sein, dass auch ganz normale Menschen was mit dem Glauben zu tun haben können".
Es gab nur noch ein Problem: "Plötzlich fiel mir ein: Ich hab ja noch gar keine Harley dafür!" Schnell stand fest: Das Motorrad soll eine echte Sonderanfertigung sein. Draxler schaut sich im Raum um. "Und dann dachten wir uns, dann bauen wir’s eben einfach selber". Seit einigen Wochen wird an der Harley geschraubt. Einen Sponsor hat er auch gefunden: Christian "Chicken" Repp, ist Geschäftsführer des Harley-Davidson Würzburg Village und unterstützt die geplante Fahrt in den Vatikan. Chefmechaniker an dem besonderen Stück ist der Customizer Miro. Vom Lenker bis zum Kotflügel werden die Teile der Harley in Handarbeit gehämmert, gebogen und bemalt.
Am 29. Juni soll die große Reise losgehen, mit einer Andacht in der Hauskapelle der Jesus Biker. Draxlers Sohn Tom, selbst begeisterter Motorradfahrer und Gründungsmitglied der Jesus Biker, wird das Motorrad von Würzburg bis in den Vatikan fahren. Neben den anderen Jesus Bikern werden mehrere tausend Motorradfreunde aus ganz Europa erwartet, die sich der Gruppe auf ihrem Weg anschließen. Als Auftakt laden die Jesus Biker am 29. Juni zu einem Motorradgottesdienst in Geiselwind unter anderem mit dem evangelischen Liederpfarrer Johannes Matthias Roth, der auch den Song für den "Peace Ride" komponiert hat.
Am 7. Juli wollen die Jesus Biker in Rom ankommen. Die selbstgebaute Harley soll dann für einen guten Zweck versteigert werden. Auch sonst steht die Reise ganz im Zeichen der Wohltätigkeit: "Wir machen das alles nicht nur zum Spaß", betont Draxler, "wir wollen hier wirklich was bewegen." Das offizielle Motto der Fahrt ist "Peace Ride", eine eigene Webseite ist schon erstellt, ein Souvenirverkauf soll helfen, noch mehr Spendengelder zu sammeln. Mit dem Geld wollen die Harley-Freunde Missio Austria und die indische Mission Tribal Mission Friends ihres Bikerbruders Domkapitular Babu George unterstüzen.
Vielleicht schaffen es die Jesus Biker auch, eine persönliche Übergabe der besonderen Harley an den Papst zu arrangieren. So oder so soll das Motorrad am Ende der Fahrt für den guten Zweck versteigert werden, der Erlös geht dann an ein soziales Projekt der Päpstlichen Missionswerke.
Es ist nicht die erste, aber bislang die spektakulärste Wohltätigkeitsaktion der Jesus Biker. Seit ihrer Gründung 2014 starten die Biker immer wieder größere und kleinere Benefizaktionen. Aber wenn man mit Draxler und den anderen Jesus Bikern spricht, die sich in der kleinen schummrigen Werkstatt in Würzburg versammelt haben, merkt man, dass diese Rom-Reise einen ganz besonderen Stellenwert hat: "Das werden wir unser Leben lang nicht vergessen."