In der Passionszeit gelten unsere Gedanken und Gebete in besonderer Weise den Menschen, die Verfolgung, Unrecht, Not und gewaltsamen Tod erleiden: Sie alle tragen in besonderer Weise das Antlitz Jesu Christi, des leidenden Gottessohnes. Am Kreuz hat Jesus ihr Schicksal geteilt. Er hat freiwillig erlitten, was Menschen einander antun - um es zu richten. Wenn wir in der Passionszeit unsere Blicke auf den Gekreuzigten richten, dann müssten wir eigentlich die Augen vor Scham und Reue gleich wieder senken. Sein gewaltsamer Tod fällt nicht vom Himmel, sondern erwächst aus je und je sehr konkreter irdischer Friedlosigkeit und Ungerechtigkeit – so wie der gewaltsame Tod von Millionen Menschen täglich. Die Leugnung von Humanität, die Enthaltung der Rechte und Angriffe auf die Würde aller Menschen hat in diesen Jahren wieder große Konjunktur.
In der Passionszeit geht es deshalb auch um die - aus die aus der Mode geratenen - Worte Schuld und Umkehr. Wir sind gefragt, uns Gedanken darüber zu machen, welchen Anteil wir am Leid Anderer haben und was wir tun können, um uns davon zu befreien, der eigenen Komplizenschaft mit inhumanen Umgangsformen miteinander, ein Ende zu setzen. Und wir fragen, welchen Teil des Kreuzes Anderer wir solidarisch auf uns nehmen können auf ihrer "Via Dolorosa". Zu keiner anderen Zeit des Kirchenjahres wird unser Auftrag zu mehr Menschlichkeit so offenkundig und drängend wie in der Passionszeit.
Pfarrerin Cornelia Füllkrug-Weitzel ist seit 2012 die Präsidentin von "Brot für die Welt - Evangelischer Entwicklungsdienst" und leitet den Präsidialbereich, zu dem die Diakonie Katastrophenhilfe, die Abteilung Politik und die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Kooperation gehören.
Als das humanitäre Hilfswerk der evangelischen Kirchen richtet die Diakonie Katastrophenhilfe ihre Aufmerksamkeit während des gesamten Jahres auf akutes und drastisches Leid in der Welt. In dieser Passionszeit möchten wir auch Ihnen helfen, darauf zu schauen, was das Leben von Menschen hierzulande und in anderen Teilen der Welt ins Wanken bringt und wie wir unseren Beitrag dazu leisten können, damit ihr Leben stabiler wird.
In diesem Jahr beschäftigt uns die Lebenswirklichkeit junger Menschen in der Region um den Tschadsee. Zu den ohnehin von Armut und Hunger geprägten Lebensbedingungen kommen dort Gewalt und die immer drastischeren Auswirkungen des Klimawandels hinzu. Die Terrorgruppe Boko Haram, die sich auf den Islam beruft, mit ihm aber de facto wenig zu tun hat, wie uns Christen und Muslime in Nigeria bestätigen, aber auch andere gewalttätige Auseinandersetzungen haben in den vergangenen zehn Jahren tausende Menschen getötet und Millionen dazu gezwungen, von einem Moment auf den anderen ihre Heimat zu verlassen. Diese Menschen erleben akute Not, teilweise sogar mehrfach – ohne dass der Staat dem angemessen Abhilfe schafft.
Dazu kommt der Klimawandel. Was wir in Europa durch häufigere, aber bislang meist verkraftbare Extremwetterereignisse spüren, ist harmlos gegenüber dem, was er in den armen Regionen der Welt jetzt schon an massiver Verwüstung natürlicher Lebensgrundlagen anrichtet. In der Region um den Tschadsee hat er das Leben der Menschen bereits unwiderruflich verändert: Die sensiblen ökologischen Systeme sind aus dem Gleichgewicht geraten. Der Tschadsee hat heute 80 Prozent seiner ursprünglichen Wasseroberfläche verloren, sodass er seine Anwohner nicht mehr ernähren, den Fischern kein Einkommen mehr sichern und das umliegende Land nicht mehr fruchtbar machen kann. Jahrelange Trockenphasen und zunehmende Wüstenbildung rauben den Menschen dort auch ihre landwirtschaftlichen Existenzgrundlagen. Dies alles trifft junge Menschen in besonderem Maße, denn Perspektivlosigkeit und fehlende Bildungsangebote bieten einen idealen Nährboden für religiösen Fundamentalismus und damit für immer mehr Gewalt.
Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, bietet die Diakonie Katastrophenhilfe – neben immer wieder notwendiger Überlebenshilfe – vor allem jungen Menschen die Möglichkeit, sich ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften und so ihre eigene Existenz sichern zu können. Das hilft, ihre Situation inmitten von Gewalt, Vertreibung und Armut zu stabilisieren.
Die Passionszeit nahmen Christinnen und Christen seit jeher zum Anlass für einen bewussten Verzicht – auf Essen, oder neuerdings eher auf den Konsum von Alkohol oder anderer Luxusgüter. Viele haben das durch den Verzicht eingesparte – früher häufig im Wortsinne: vom Munde abgesparte - Geld beiseitegelegt und es dann am Ende der Passionszeit für Menschen in Not gespendet. Diese Tradition möchten wir wieder beleben helfen.
Wir bitten Sie deshalb herzlich um Ihre Fürbitte für die Opfer der Gewalt und des Klimawandels in der Tschadsee-Region. Und wir bitten Sie um Ihr Fastenopfer und Ihre Spende, damit unsere Hilfe für die jungen Menschen weiterhin geleistet werden kann. Wir danken Ihnen herzlich für diese greifbaren Zeichen der Hoffnung.