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TV-Tipp: "Scheidung für Anfänger" (ARD)
26.1., ARD, 20.15 Uhr
Viele andere Filme hätten mit diesem Bild begonnen, um die Vorgeschichte anschließend nachzureichen: Ein Mann und eine Frau sitzen bedröppelt vor ihrem demolierten Haus und den Ruinen ihrer Ehe. Anja und Christoph haben zwei Kinder miteinander gezeugt und hatten fast 25 Jahre lang überwiegend gute Zeiten; aber nun ist alles zerstört.

Die besten Komödien sind oft verkappte Tragödien; das ist in diesem Fall nicht anders. "Scheidung für Anfänger"bezieht außerdem einen gewissen Reiz aus der Tatsache, dass Andrea Sawatzki und Christian Berkel im wirklichen Leben miteinander verheiratet sind, aber der Film profitiert vor allem von ihrer Eingespieltheit; und von Dialogen, die mitunter schmerzlich nah an der Realität sind.

Zu Beginn wollen sich Anja und Christoph noch einvernehmlich trennen, sie suchen sogar gemeinsam eine Anwältin auf, aber die Dame (Doris Schretzmayer) stellt gleich mal klar: Sollte es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen, kann sie nur eine der Parteien vertreten; und das wäre Anja. Als Christoph klar wird, wie teuer ihn die Scheidung zu stehen kommt, braucht er eigenen Beistand. Mittlerweile ist der Trennungsprozess längst eskaliert, weshalb die Gattin vorsorglich für verbrannte Erde gesorgt hat: Weil sie alle guten Berliner Scheidungsanwälte zwecks eines Erstgesprächs aufgesucht hat, dürfen die Kanzleien Christoph nicht mehr beraten. Am Ende landet er bei einem etwas heruntergekommenen Juristen (Pierre Besson), der zwar ebenso mit allen Abwassern gewaschen ist wie Anjas Rechtsbeistand, die Kontrahentin allerdings auch umgehend und mit Erfolg anflirtet.

Klugerweise haben Sawatzki und Berkel darauf verzichtet, die Hauptfiguren komisch anzulegen. Die Rahmenbedingungen sind ebenfalls nicht ulkig. Es spricht für die außerordentliche Qualität des Drehbuchs, dass "Scheidung für Anfänger"trotzdem vorwiegend heiter ist; Autorin Nina Bohlmann hat zuletzt unter anderem die sehenswerte Trennungstrilogie "Eltern allein  zu Haus"(2017) geschrieben. Natürlich entsteht der Heiterkeitseffekt auch durch die Überspitzung vieler Szenen, aber gerade Anjas verletzende Sarkasmen sind im Grunde gar nicht lustig. Gleiches gilt für die Ratschläge ihrer besten Freundin, Jana (Tanja Schleiff), die schonungslos feststellt, dass Frauen nicht attraktiver werden, wenn ihnen der Hass auf ihren zukünftigen Ex-Mann ins Gesicht geschrieben steht. Christoph findet zwar Trost bei einer früheren Liebe (Katharina Müller-Elmau), aber auch Monika kann das Thema Scheidung irgendwann nicht mehr hören. Die Affäre hat außerdem zur Folge, dass er das gemeinsame Haus verlassen muss, denn Anja hat einen Detektiv engagiert: Ein Seitensprung Christophs, hat sie erfahren, wäre die beste Voraussetzung, um nicht ausziehen zu müssen, und den Gefallen tut er ihr ja prompt auch.

Schon im Rahmen von "Eltern allein zu Haus"ist es Nina Bohlmann gelungen, das Drama eines Ehe-Endes als Komödie zu erzählen ("Die Winters“). Das funktioniert auch diesmal wieder, weil viele Dialoge erst durch ihre Prägnanz komisch werden. Für weitere Heiterkeit sorgt die Liaison zwischen Anwalt und Anwältin: Tagsüber erzielen die beiden mit allen nur erdenklichen Tricks Vorteile für ihre Mandanten, nachts teilen sie das Bett miteinander. Mitten in Christophs etwas umständlichen Versuch, die erwachsenen Kinder möglichst schonend über die beschlossene Trennung zu informieren, platzt außerdem Tochter Franziska (Amelie Plaas-Link) mit der Nachricht, dass sie heiraten wird; prompt bringen Anja und Christoph es nicht übers Herz, ihre euphorische Stimmung zu dämpfen.

Überraschend witzig ist auch der Tiefpunkt mit dem demolierten Eigenheim: Anja hat Christophs Sachen entrümpeln lassen, der ist verständlicherweise sauer, und nun nimmt die Auseinandersetzung des Paars handfeste Züge an. Sie bombardiert ihn mit Tennisbällen aus der Ballmaschine, er wehrt die Geschosse mit einem Skateboard ab; ein Querschläger fliegt durchs Küchenfenster und löst eine Kettenreaktion aus. Das ist natürlich höchst dramatisch, aber Thorsten M. Schmidt inszeniert das Scharmützel als Slapstick. Der Regisseur hat ein paar mittelprächtige Episoden für Krimireihen wie "Ein starkes Team"und "Mordkommission Istanbul"gedreht, aber auch einige richtig gute Filme. "Papa und die Braut aus Kuba"(2016) zum Beispiel, ein Freitagsfilm im "Ersten“, war dem Titel zum Trotz eine feinfühlige, nachdenkliche und einfühlsam gespielte Komödie. Zu Schmidts besten Arbeiten zählen zwei Siegried-Lenz-Verfilmungen: "Arnes Nachlass"(2013), unsagbar traurig, und "Schweigeminute"(2016), zutiefst romantisch, aber auch melancholisch. Mit "Scheidung für Anfänger"hat er eine ähnlich reizvolle Mischung gefunden, diesmal klassisch tragikomisch. Dafür steht auch das Liedgut. Während Popsongs anderswo als Lückenfüller dienen oder Emotionen vorgeben, haben die sorgfältig ausgewählten Chansons hier einen klaren Bezug zur Handlung. Als Eröffnungslied erklingt "Du lässt dich geh’n"von Charles Aznavour, und tatsächlich ist Anja und Christoph zu Beginn anzusehen, dass sie sich, zu dessen besten Regiearbeiten die melancholischen Siegried-Lenz-Verfilmungen "Arnes Nachlass"(2013) und "Schweigeminute"(2016) gehören, keine besondere Mühe mit ihrem Erscheinungsbild geben; dazu passt die triste Bildgestaltung (Felix Wiedemann). Als angesichts des Scheidungskriegs die Lebensgeister des Paars erwachen, werden auch die Bilder bewegter und farbenfroher.