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TV-Tipp: "Der Bozen-Krimi: Leichte Beute" (ARD)
17.1., ARD, 20.15 Uhr: "Der Bozen-Krimi: Leichte Beute"
Schon der erste "Bozen-Krimi", "Wer ohne Spuren geht" (2015), war mehr Familiendrama als Krimi. Die weiteren Episoden bezogen ihre Spannung in erster Linie aus der fortlaufenden Handlung: Die aus Deutschland stammende Kommissarin Sonja Schwarz (Chiara Schoras) geriet in ein komplexes Komplott, musste ihren Mann vorübergehend für einen Mädchenmörder halten und mühte sich vergebens, den mutmaßlichen regionalen Repräsentanten der Mafia zu überführen.

Die tragischen Verwicklungen hatten unter anderem den Tod des Gatten zur Folge, aber die entsprechenden Verbrechen konnten geklärt werden; bloß der Mafioso Rossi führt sein Restaurant immer noch, als wäre nie was gewesen. Davon abgesehen ist die Geschichte im Grunde auserzählt, weshalb "Leichte Beute", die sechste Episode, eigentlich eine neue Entwicklung in Gang setzen müsste. Jürgen Werner, der bislang alle Drehbücher der Reihe geschrieben hat, beschränkt sich jedoch auf einen zudem nicht sonderlich spektakulären Raubzug: Ein Trio hat sich in einem abgeschiedenen Hotel eingenistet, um in leerstehende Häuser einzubrechen. Die Eigenheime sind alle mit Alarmanlagen ausgerüstet, die jedoch keinen Mucks von sich gegeben haben. Schwarz und ihr Vorgesetzter, Matteo Zanchetti (Tobias Oertel), werden auf die Serie aufmerksam, als bei einem der Einbrüche ein pensionierter Richter mit der eigenen Waffe erschossen wird. Der Mann trug den Beinamen "Eisenhart" und war für seine kurzen Prozesse berüchtigt; die Vermutung, dass bei dem Mord Rache eine Rolle gespielt haben könnte, würde in anderen Krimis geradewegs zum Täter führen, aber zunächst vermuten die Ermittler den Mörder bei der Sicherheitsfirma. Der entsprechende Verdächtige kommt allerdings kurz drauf seinerseits ums Leben, und nun entwirft Werner ein komplexes Beziehungsgeflecht mit alter und neuer Freundin, mit wiedererwachten Gefühlen und mit einer überraschenden Tochter.

Weil es im "Bozen-Krimi" stets auch um die privaten Probleme der Kommissarin geht, sorgt der Autor dafür, dass Sonja Schwarz nicht zur Ruhe kommt: Ihre Stieftochter Laura (Charleen Deetz) hat sich in einen schmucken Jungen (François Goeske) verliebt, der als Aushilfskellner für Rossi arbeitet; prompt fürchtet die Polizistin, der sympathische Luca Forlani habe vor allem die Aufgabe, sie auszuspionieren, und nimmt den jungen Mann beim Abendessen ins Kreuzverhör; eine typische Szene für Krimis, in denen Töchter flügge werden, auch wenn es in der Regel die männlichen Polizisten sind, die für solche aus Sicht der Kinder peinlichen Momente sorgen. Unbegründet ist der Veracht nicht, denn ein Zweig von Lucas Familie hat Kontakt zur kalabrischen Mafia; hier bahnt sich vermutlich ein neuer horizontaler Erzählstrang an. Trotzdem wirft Laura ihrer Stiefmutter vor, sie sei paranoid, und leider hat Regisseur Thorsten Näter nicht verhindert, dass die junge Charleen Deetz das Mädchen etwas zu als Drama-Queen verkörpert. Interessant ist der Konflikt dennoch, denn Sonja muss sich entscheiden, ob sie dem Mädchen Mutter oder Freundin sein will.

Davon abgesehen ist der Film für einen Profi wie Näter erstaunlich unspannend. Allerdings waren seine früheren "Bozen"-Beiträge auch selten packend; Nervenkitzel kommt in "Leichte Beute", wenn überhaupt, erst am Schluss auf. Dazu passt, dass auch die deftigen Flüche Zanchettis gewissermaßen einen Schalldämpfer haben, denn er flucht auf Italienisch. Immerhin wird der Film zum Finale einigermaßen fesselnd, als die Verbrecher ein Juweliergeschäft ausrauben und von der Polizei überrascht werden. Es kommt zwar zum Schusswechsel, aber das Trio kann zurück zum Hotel fliehen, wo der Anführer die Hotelbesitzerin und deren kleine Tochter als Geisel nimmt. Die Szenen mit den Kriminellen wären noch überzeugender, wenn Johannes Zeiler den Bandenchef nicht übertrieben als typischen Fernsehganoven verkörpern würde. Weil Thomas Sarbacher in einer ganz anderen Liga spielt, gehörten die Szenen, in denen Zanchetti und der vermeintliche Mafia-Statthalter aufeinandertrafen, regelmäßig zu den Höhepunkten der "Bozen"-Krimis; diesmal beschränkt sich Sarbachers Mitwirkung allerdings auf einen Auftritt.

Sehenswert ist immerhin die Bildgestaltung, und das nicht nur wegen der imposanten Aufnahmen des Dolomitenpanoramas; Kameramann Achim Hasse hat die Schroffheit des abweisenden Felsmassiv noch betont und außerdem in vielen Szenen ein interessantes Licht gestaltet; die fahlen Farben lassen keinerlei Wärme aufkommen. Bei der Verfolgungsjagd vorm Finale sorgt die agile Kameraführung im Zusammenspiel mit Schnitt und Musik dafür, dass endlich auch die Inszenierung mitreißt, selbst wenn Näter für eine gute Einstellung eine offenkundige Ungereimtheit in kauf genommen hat: Obwohl ein Mitglied des Trios schwer verletzt ist, parken die Ganoven ihr Auto viel zu weit weg vom Hotel, weil Hasses Kamera auf diese Weise auch noch die Berge ins Bild bekommt. Den nächsten "Bozen-Krimi" zeigt das "Erste" in einer Woche.