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TV-Tipp: "Mordkommission Istanbul: Einsatz in Thailand" (ARD)
25.12., ARD, 20.15 Uhr: "Mordkommission Istanbul: Einsatz in Thailand"
In der Vergangenheit haben es die Autoren von "Mordkommission Istanbul" konsequent vermieden, sich mit den politischen Verhältnissen auseinandersetzen. Die Krimireihe soll in erster Linie der Unterhaltung dienen, weshalb die Filme regelmäßig so tun, als sei die Türkei ein Land wie jedes andere.

Der von Erol Sander verkörperte Kommissar Özakin äußert zwar hin und wieder leise Kritik an übertriebenem religiösem Enthusiasmus, doch um Politik machen die Drehbücher stets einen derart großen Bogen, als hätten die Autoren eine Schere im Kopf. Aber die Realität lässt sich nur so lange ausblenden, wie sie keine Gefahr für Leib und Leben darstellt, weshalb die Dreharbeiten zuletzt aus Sicherheitsgründen außerhalb Istanbuls stattfanden. Die im Frühjahr ausgestrahlte letzte Episode, "Tödliche Gier", ist in Izmir gedreht worden. Während der Dreharbeiten im Sommer 2016 ereignete sich der Putschversuch. Um Schauspieler und Mitarbeiter keinen unnötigen Risiken auszusetzen, hat sich die Produktionsfirma Ziegler Film entschlossen, die Türkei komplett zu verlassen. Wider Erwarten ist "Einsatz in Thailand" der beste Film seit "Im Zeichen des Taurus" (2016) geworden; in dem Zweiteiler hatte sich die Reihe erstmals mit dem Thema Terror befasst.

Es ist ja ohnehin stets etwas Besonderes, wenn Ermittler ihr angestammtes Revier verlassen, aber Auslandseinsätze sind naturgemäß noch reizvoller; wenn auch nicht wegen etwaiger Kommunikationsprobleme, denn in den Krimis der ARD-Tochter gibt es grundsätzlich keine Sprachbarrieren. Anders als beim Heimspiel ist Özakin in Thailand jedoch völlig auf sich allein gestellt, und das nicht nur, weil er niemandem vertrauen kann; er gerät zwischen die Fronten zweier rivalisierender Gangster-Sippen und wird zudem von der Polizei gesucht, weil er einen Verbrecher aus dem Gefängnis befreit hat. Der Film beginnt mit einem typischen Cliffhanger-Auftakt: Der türkische Kommissar ist auf der Flucht, ein Fadenkreuz erfasst ihn. So endet auch die erste Hälfte des knapp 180 Minuten langen Thrillers, den die ARD ursprünglich als Zweiteiler zeigen wollte, aber nun am Stück ausstrahlt.

Marco Rossi hat für die Degeto unter anderem den Freitagsfilm "Kilimandscharo – Reise ins Leben" (2018) und das biografische Drama "Grzimek" (2015) geschrieben, kann aber auch Thriller, wie er vor zehn Jahren mit "In letzter Sekunde" bewiesen hat. Bei seinem Debüt für "Mordkommission Istanbul" war es allerdings fast noch wichtiger, dass die Reise nach Asien weit mehr als bloß ein Vorwand ist: Özakin hat in Istanbul den thailändischen Menschenhändler Worawit Luang (Solarsin Ngoenwichit) festgenommen. Zuvor hatte Luang offenbar den Freund und Mentor des Kommissars ermordet; die Überreste von Benar Kayalis Leiche sind in einem Krematorium gefunden worden. Kaum haben Özakin und Mustafa (Oscar Ortega Sánchez) den Gangster in Bangkok an die thailändischen Kollegen überstellt, werden sie in den Dschungel entführt: Fawaini (Mamhee Nakprasitte), Luangs Schwester, zwingt Özakin, ihren Bruder zu befreien; andernfalls muss Mustafa sterben. Tatsächlich gelingt dem Türken das Unmögliche: Dank eines raffinierten Plans und der Hilfe einer Frau (Nadeshda Brennicke), die er im Flugzeug vor einem aufdringlichen Passagier beschützt hat, kann er Luang zur Flucht aus Thailands sicherstem Gefängnis verhelfen. Mustafas Leben schwebt jedoch weiter in Gefahr, denn die rivalisierende Verbrechersippe Roter Drache will Luang um jeden Preis aus dem Verkehr ziehen; und sie hat einen Helfer, der den Kommissar so gut kennt wie kaum ein anderer.

Weil Nicki von Tempelhoff in einer kurzen Rückblende zu sehen ist, als Özakin um seinen ermordeten Freund trauert, ist recht bald klar, wer da wie Phoenix aus der Asche von den Toten zurückkehrt. Dass der verbrannte Kayali allein anhand seiner Keramikkronen identifiziert werden konnte, ließ ohnehin früh erahnen, dass sein Tod nur vorgetäuscht war, aber Rossi versucht auch nicht, das Geheimnis länger als nötig zu bewahren. Davon abgesehen ist ihm mit "Einsatz in Bangkok" ein Thriller gelungen, der tatsächlich über knapp 180 Minuten spannend ist. Vielen Zweiteilern geht zwischendurch auch mal die Luft aus, weil die Handlung im Grunde nur für 120 Minuten reicht. Rossi sorgt jedoch immer wieder für unerwartete Wendungen, und das, ohne neue Figuren einzuführen: weil einige der Beteiligten ein doppeltes Spiel spielen und auf diese Weise Freund und Feind in einer Person sind.

Eindrucksvoll ist auch die Umsetzung. Peter Ladkani hat zuletzt den zweiten Teil des vorzüglichen "Amsterdam-Krimis" ("Auferstanden von den Toten") gedreht und hier gemeinsam mit Namche Okon (Kamera) für eine aufwändig wirkende Bildgestaltung gesorgt. Kameraführung und Schnitt sind gerade in den Actionszenen sehr agil, aber nie hektisch, und Andreas Helmle hat wie schon beim "Amsterdam-Krimi" erneut eine ausgezeichnete Thrillermusik komponiert. Der Film wechselt zudem permanent die sorgfältig ausgesuchten Drehorte: Die imposanten Panoramabilder der nächtlichen Skyline von Bangkok bilden einen faszinierenden Kontrast zur wilden Dschungellandschaft. Ein weiterer attraktiver Schauplatz ist das buddhistische Kloster, in dem der völlig erschöpfte Özakin Zuflucht findet, nachdem er der Polizei entkommen ist. Der vielleicht größte Reiz des Films liegt jedoch im regelmäßigen Rollentausch des Helden: weil der Kommissar mal Jäger, mal Gejagter ist. Diese Vorzeichen ändern sich ständig und mit Vorliebe dann, wenn er glaubt, alles unter Kontrolle zu haben.