Gänse unter Bananenstauden
© Michael Lenz
Diese Gänse haben Glück gehabt: das Los der Weihnachtsgans ist an ihnen vorübergezogen und sie können weiter unter Bananenstauden herum watscheln im tropischen Discovery Garden vom Schweizer Hans Fritschi in Huay Yai.
Ausgerechnet Bananen fressen die Gänse gerne
Deutsche Weihnacht in Thailand
Viele kollektive und individuelle Sitten, Gebräuche und Traditionen haben die Menschen im Laufe der Jahrhunderte für die Weihnachtsfeier entwickelt. Die Gottesdienste an Heiligabend sind in der Regel gut gefüllt. Wenn es dann noch schneit, der Lichterglanz uns freudig stimmt, die Weihnachtsmärkte Stimmung machen und wir vor lauter Plätzchen, Christstollen und Glühwein anfangen Kalorien zu zählen, ja dann ist Weihnachten. Doch wie feiert man eigentlich im subtropischen Thailand den Geburstag des Herrn?

Tausende Deutsche leben im Ausland, zum Beispiel an den sonnigen und sündigen Gestaden Pattayas am Golf von Siam oder in Bangkok, der quirligen Hauptstadt des mehrheitlich buddhistischen Thailands. In solch tropischen Gefilden kann man bei 30 Grad Celsius von Schnee nur träumen. Aber die Expats, wie man die hier lebenden und arbeitenden Ausländer nennt, und auch die Touristen, die dem winterlichen Schmuddelwetter in Deutschland für ein paar Wochen entfliehen, müssen in Fernost nicht auf die liebgewonnen europäischen Weihnachtstraditionen verzichten.

Die riesigen Shopping Malls haben sich mit Hilfe zahlungskräftiger Sponsoren in vorweihnachtliche Konsumtempel verwandelt, die genau so auch in Bottrop oder New York stehen könnten: Kassiererinnen tragen rot-weiße Nikolausmützen, aus den Lautsprechern von Cafés und Restaurants dröhnen Lieder vom Weihnachtsmann und seinem Rentier Rudolf mit der roten Nase.

Weihnachtliches Ambiente im Einkaufszentrum in Bangkok.

Jenseits des Kommerzes leben in der Ferne deutsche Weihnachtsbräuche. Am zweiten Advent duftet es im Pfarrhaus der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache in Bangkok in Bangkok köstlich. Praktikantin Rebecca Reiner und Pastor Carsten Körber backen Plätzchen. Darunter Vanillekipferl und "Terrassen". "So nennt man bei uns dreilagige, mit Marmelade gefüllte und mit Puderzucker bestreute Plätzchen", sagt die 21 Jahre alte Frau aus der Nähe von Heilbronn, die in Freiburg Religionspädagogik und Gemeindediakonie studiert.

Reichen die Plätzchen für Heiligabend?

Rebecca Reiner und Pastor Carsten Körber beim Plätzchenbacken.
Vier Sorten Weihnachtsgebäck entstehen an diesem Nachmittag im Pfarrhaus, in dem Adventskranz und Herrenhuter Stern vorweihnachtliche Stimmung verbreiten. Die Plätzchen sind für die Weihnachtsfeiern des Bibelkreises, des Kirchengemeinderats, der Religionsklasse an der Schweizer Schule und den Gottesdienst am 3. Advent bestimmt. "Ob sie auch noch für Heilig Abend reichen, wird man sehen", sagt Reiner. "Wenn nicht, dann muss ich eben noch mal ran."

 

Trotz ihres jugendlichen Alters hat die Praktikantin eine ruhige, gelassene Persönlichkeit, die sie am Tag vor dem Plätzchenbacken bei der Probe des Kinderkrippenspiels im Pfarrhaus unter Beweis stellt. Dreizehn Kinder im Alter zwischen vier und acht Jahren irgendwie in Schach zu halten, ist keine leichte Aufgabe. Aber Reiner hat sich was Cleveres einfallen lassen, um die Kinder, deren Szenen gerade nicht geprobt werden, zu beschäftigen. Aus goldglitzernder Pappe lässt sie Sterne für die Bühnendekoration ausschneiden.

Bastelnachmittag mit Vätern und Kindern.
Erstaunlicherweise sind es die Väter, die sich mit Inbrunst an der Bastelarbeit beteiligen, während die Mütter bei den Proben helfen. Die klappen allerdings noch nicht so ganz. "Ja, ich weiß, da ist noch Luft nach oben", seufzt Reiner. "Aber bis Weihnachten kriegen wir das hin."

 

Während Reiner das Krippenspiel probt, ist Pastor Körber in Phnom Penh, wo er zusammen mit seinem Kollegen von der deutschsprachigen katholischen Gemeinde, Jörg Dunsbach, in einem Garten am Ufer des Mekong mit deutschen Familien Nikolaus feiert. "Advent und Weihnachten nach unseren Gebräuchen zu feiern, ist auch ein Stück Heimat. "Der Weihnachtsgottesdienst in Bangkok ist immer voll. Letztes Jahr waren über 200 Leute da. Darunter auch Touristen, die ihren Thailandurlaub so planen, dass sie in Bangkok den deutschsprachigen Weihnachtsgottesdienst besuchen können", freut sich Körber. "Die vertrauten Weihnachtslieder wie 'Stille Nacht, heilige Nacht' zusammen mit anderen in der Muttersprache singen zu können, ist vielen sehr wichtig."

Ganz traditionell feiern die deutschen Expats auch privat Weihnachten. Aber sie müssen Kompromisse eingehen. "Der Weihnachtsbaum ist halt aus Plastik", grinst Sascha Ricanek. Der Vertreter eines deutschen Autoherstellers in Thailand und seine Familie verbringen Weihnachten lieber in ihrer tropischen Wahlheimat als in Deutschland. "Zu Hause will jeder einen sehen. Das ist uns zu stressig", sagt der Mann, dessen Sohn im Krippenspiel den Herbergsvater gibt.

Heike Völkle hat zu Hause schon die Weihnachtsbäckerei erledigt. "Eine thailändische Freundin hat geholfen. Sie wollte unbedingt mal Weihnachtsbäckerei erleben", erzählt die Mutter dreier Töchter. Die Völkles leben schon lange im Ausland. "Unsere Kinder haben noch nie ein Weihnachtsfest in Deutschland erlebt", sagt Völkle und berichtet von der Verwirrung ihrer Kinder bei den Weihnachtstraditionen. "Sie gehen auf die englische internationale Schule. Da ist von Santa Claus die Rede, während wir ihnen vom Weihnachtsmann erzählen."

Plastikbäume und Klimanalagen

Auch im evangelischen Begegnungszentrum (BGZ) in Pattaya laufen die Vorbereitungen für Weihnachten. In dem von der EKD getragenen Zentrum stehen seit dem 1. Advent schon kleine Plastikweihnachtsbäumchen und im angrenzenden Kirchensaal richtet Wolfgang Leuschner, Pastor im Ruhestand, den Adventskranz her.

Evangelisches Begegnungszentrum in Pattaya.
Der ist auch aus Plastik. Der Saal ist klimagekühlt. Deshalb können wenigstens die Kerzen echt sein. Ohne Klimaanlage würden in der tropischen Hitze Wachskerzen schnell schlapp machen.

 

Wähhrend in Bangkok die deutsche Szene hauptsächlich aus jungen Manager und Geschäftsleuten mit Familie besteht, bestimmen in Pattaya Senioren das Bild. "Die meisten sind alleinstehende Herren, die zeitweise oder auch ganzjährig hier leben", weiß Leuschner. Im Begegnungszentrum in Pattaya-Naklua treffen sich die Männer und einige der Frauen zum Quatschen, Billiard spielen oder um Würstchen mit Kartoffelsalat und Schweinebraten zu essen. Das BGZ bietet auch regelmäßig Veranstaltungen wie Thai- und Deutschsprachkurse oder Gesprächskreise über philosophische, religiöse und politische Themen an.

"Missioniert wird nicht"

"Es kommen zwei unterschiedliche Gruppen ins Zentrum", erzählt Leuschner, der schon in Singapur und Jakarta Dienst tat. "Die eine ist eher christlich und theologisch interessiert und kommt zu den Gottesdiensten. Die andere macht sich nichts aus Kirche. Die kommen in der Woche ins Zentrum. Die beiden Gruppen sind aber eine ökumenische Gemeinschaft. Würde eine wegfallen, würde das Zentrum zusammenbrechen", ist Leuschner überzeugt, der als ehemaliger Leiter der Circus- und Schaustellerseelsorge der EKD reichlich Erfahrung mit bunt zusammengesetzten Gemeinden hat. "Unser Angebot zielt auf Kopf und Herz. Missioniert wird nicht. Ich verstehe die Arbeit eher diakonisch."

Der Shanty Chor übt Weihnachtslieder. Über so gute Alt und Tenor Besetzng würde sich mancher Chor in Deutschnland freuen.
An diesem Samstag vor dem ersten Advent übt sich der Shanty Chor des BGZ an Weihnachtsliedern. Zum Einsingen wird erst mal "Das ist die Liebe der Matrosen" geschmettert, bevor es an weihnachtliches Liedgut wie "Macht hoch die Tür" geht. Die Weihnachtslieder klingen noch etwas holprig. Aber bis Weihnachten ist es ja auch noch Weile hin und ebenso wie Reiner bei dem Kinderkrippenspiel ist Chorleiter Wolfram Reda überzeugt, dass dann alles klappt.

Johannes Vos ist einer der Sangesbrüder. Der seit 17 Jahren in Pattaya lebende Inhaber eines Visabüros gibt fröhlich zu, dass der Shanty Chor keinen künstlerischen Anspruch hat. "Wir haben einfach Lust am Singen", sagt der Mitbegründer des BGZ. "Das Begegnungszentrum hat eine große Bedeutung. Hier trifft man vernünftige Leute, mit denen zusammen man singen, essen, reden und Gottesdienste feiern kann", erklärt der überzeugte Single. "Das ist ein Stück Heimat."

Hans Fritschi

Gänsebraten ist ein klassisches Weihnachtsessen, das Deutsche auch in Pattaya nicht missen möchten. In seinem tropischen Discovery Garden in Huay Yai, in der Nähe von Pattaya, betätigt sich der Schweizer Hans Fritschi als Hobbygänsezüchter. Munter schnatternd watscheln mehr als 40 Gänse zwischen Bananenstauden, Kanonenfruchtbäumen, Vanillepflanzen und Palmen. "Ausgerechnet Bananen fressen die Gänse gerne", sagt Fritschi lachend. Wenige Tage vor dem zweiten Advent aber ist für zehn Gänse das Leben vorbei. Sie werden für ein Restaurant geschlachtet und zu Weihnachten deutschen Urlaubern mit Rotkohl und Klößen serviert.

Für Rebecca geht zu Weihnachten das dreimonatige Praktikum zu Ende. Sie freut sich auf ihre Mutter und ihren Bruder, die Weihnachten in Bangkok sein werden und mit denen sie nach den Festtagen durch Thailand reisen will. Weihnachten ist eben doch ein Familienfest. Egal wo.