erstes Plakat
Bild: Brot für die Welt
Die Gründungsveranstaltung von Brot für die Welt findet am 12. Dezember 1959 in der Deutschlandhalle in Berlin statt.
"Helfen ohne Dank und Lohn"
"Brot für die Welt" startet die 60. Spendenaktion
Nach Kriegen und Not geht es den Deutschen Ende der 1950er Jahren erstmals wieder gut. Doch in anderen Teilen der Welt hungern Millionen Menschen. Einige Christen starten eine Spendenaktion - und treffen den Nerv der Zeit.

Ein in die Luft gereckter dürrer Arm, die Hand ausgestreckt und darüber das Wort "Brot". Das Plakat mit der "Hungerhand" hängt am 12. Dezember 1959 in der Berliner Deutschlandhalle, als im Beisein von rund 12.000 Menschen die Hilfsorganisation "Brot für die Welt" gegründet wird. "Der Hunger auf der Welt ist eine ganz große Anklage, von der sich jeder mit getroffen fühlen muss. Wir wollen helfen, ohne Dank und ohne Lohn", stellt der Berliner Bischof Otto Dibelius das Projekt vor.

Hunger ist Anklage

Es ist die Zeit von Hungerkatastrophen in Indien und Afrika - in Gebieten, aus denen sich die Kolonialherren gerade zurückgezogen haben. In China führte der "Große Sprung nach vorne", mit dem Mao Zedong das Land zu einer wirtschaftlichen Großmacht umwandeln wollte, zu einer dramatischen Not. Viele Chinesen flüchten nach Hongkong, wo sie im Elend leben.

In Deutschland erinnern sich Ende der 1950er Jahre viele noch selbst an Krieg und Armut. Der deutsche Hungerwinter, bei dem viele Tausend Menschen an Mangelernährung und Kälte starben, ist gerade erst 13 Jahre her. Die katholischen Kirchen haben das Hilfswerk Misereor gestartet. Auch evangelische Christen wollen helfen. Sie starten am 1. Advent eine Spendenaktion unter dem Motto "Brot für die Welt", um für Hungerleidende zu sammeln. "Menschen hungern nach Brot!", lautet die Überschrift des ersten Hilfsappells. Sie treffen einen Nerv. Völlig überraschend kommen 19 Millionen Mark (knapp zehn Millionen Euro) zusammen, 14,5 Millionen Mark in der Bundesrepublik, 4,8 Millionen in der DDR.

Hilfe zu Selbsthilfe

So kommt es zu dem Entschluss, aus "Brot für die Welt" eine dauerhafte Einrichtung zu machen - unter dem Dach des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland. Drei Prinzipien werden für die Arbeit formuliert: Unterstützt werden alle Menschen, ganz gleich welcher Religion sie angehören. Die Arbeit vor Ort läuft immer über einheimische Partnerorganisationen und das Motto ist Hilfe zur Selbsthilfe.

Der Mauerbau 1961 brachte die Arbeit der Organisation im Osten Deutschlands nicht zum Erliegen. Alt-Bundespräsident Joachim Gauck erinnerte sich vor einem Jahr bei einem Festakt daran, wie er als Pastor in der "laizistischen" DDR, genauer noch in Rostock, einen Spendenaufruf per Brief für "Brot für die Welt" gestartet habe. Auch viele Menschen, "die wir nie in der Kirche sahen", haben seinen Aussagen nach gespendet. In DDR war die Arbeit der "Brot für die Welt"-Vertreter allerdings komplizierter als im Westen. Sie mussten unter anderem auch damit umgehen, dass ihnen nur Spenden in der nichtkonvertierbaren DDR-Währung zur Verfügung standen. Das Geld musste also entweder aufwendig mit Hilfe von Partnern getauscht werden oder es mussten direkt Sachspenden gesammelt werden.



Heute hat die Organisation 580 hauptamtliche Mitarbeiter und fördert mehr als 2.000 Projekte in über 90 Ländern. Seit 2012, als das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst zum Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung fusionierte, verfügt "Brot für die Welt" auch über mehr Geld: Neben Spenden und Kollekten erhält das Hilfswerk staatliche und kirchliche Mittel.

Die Themenpalette ist heute deutlich breiter: Neben der Nothilfe unterstützt das Hilfswerk Menschen im Kampf gegen Landnahme, Umweltzerstörung, Kinderarbeit, Verfolgung und wirtschaftliches Unrecht. "Brot für die Welt" prangert zudem Waffenlieferungen in Krisenländer an und berät zum Thema häusliche Gewalt. Die "Hungerhand", die nach dem Brot greift, ist als zentrales Motiv seit fünf Jahrzehnten abgelöst, unter anderen durch Bilder lokaler Bauern, die selbst hart für ihre Nahrung arbeiten. Die alljährliche Spendensammlung in der Advents- und Weihnachtszeit ist aber geblieben.