Der Schwabe Klaus Holzapfel hat einen Automaten erfunden, der Kirchenmusiker überfluessig machen könnte.
© epd-bild/Giulia Iannicelli
Die katholische Schwester Ehrengard und die evangelische Krankenhausseelsorgerin Verena Winkler mit dem Orgel-Automaten von Klaus Holzapfel im katholischen Waldkrankenhaus in Erlangen.
Orgelautomat statt Organist
Maschinen-Stößel drücken die Orgeltasten anstelle von Menschenfingern: Der Schwabe Klaus Holzapfel hat einen Automaten erfunden, der Kirchenmusiker überflüssig machen könnte. Ein Segen in Zeiten von Personalmangel oder doch keine echte Alternative?

Solange Schwester Thekla lebte, war die Welt noch in Ordnung. Doch dann starb die katholische Ordensfrau, und es gab keinen mehr, der während der Gottesdienste im Erlanger Waldkrankenhaus Orgel spielen konnte. Ein externer Organist war schlicht zu teuer. Als die evangelische Pfarrerin Verena Winkler da von diesem kleinen Gerät hörte, das die Orgel anstelle eines Menschen bedient, war sie angetan.

"Die Gottesdienstbesucher merken oft gar nicht, dass da ein Automat spielt", erzählt die Krankenhausseelsorgerin. Spürbar werde das nur, wenn das Gerät einfach sein Tempo weiterspiele und sich nicht dem Gemeindegesang anpasse. Auch sei der Ablauf fix: "Manchmal würde ich einem Organisten ein Zeichen geben, dass wir weniger Verse singen möchten, weil die Besucher nicht singen, oder mehr, weil eine sangesfreudige Gruppe zusammen ist", sagt Winkler. Solche Variabilität gehe verloren.

Der Orgelautomat ist festlicher als eine CD

Dennoch findet die Pfarrerin den Automaten gut. "Ich muss in anderen Gottesdiensten auf CDs zurückgreifen, da ist es mit dem Orgelautomaten festlicher", sagt sie. Natürlich sei ein Orgelspieler aus Fleisch und Blut die erste Wahl. Doch wenn der nicht parat sei, sei das Gerät eine gute Alternative.

Erfunden hat es Klaus Holzapfel. Der Ingenieur aus dem schwäbischen Ziertheim-Reistingen erklärt: "Die Gemeinden sind froh, wieder eine gesangliche Stütze zu haben." Aktuell sei seine Orgelspielhilfe bundesweit in über 350 Gemeinden im Einsatz. Die Besonderheit sei, dass so trotz technischer Hilfe die eigene Orgel erklinge. Eine Organola kostet je nach Bauart der Orgel zwischen 3.000 und 9.000 Euro. Der Aufsatz wird auf die Orgeltasten gesetzt, und anstelle von Menschenfingern drücken Filzstößel diese auf Anweisung eines Steuergeräts nach unten. Eingespielt werden die Lieder vom Organisten oder als gekauftes Datenpaket. Wann die Orgel loslegen soll, bestimmt der Pfarrer per Fernbedienung.

Kleine Filzstössel drücken die Tasten des Orgel-Automaten.


Dass immer mehr telefoniert werden muss, um Orgelspieler aufzutreiben, weiß auch der Landeskirchenmusikdirektor der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Ulrich Knörr. "Die Zeiten eines Organisten, der über Jahrzehnte den Orgeldienst bei allen Gottesdiensten und Kasualien übernimmt, sind weitgehend vorüber", sagt er. Und die Zahl der Organisten sinke jedes Jahr. Den Orgelautomaten aus Schwaben kennt er: "Natürlich wurde der Einsatz schon diskutiert." Denn gewiss sei es eine Entlastung, nicht für jeden Gottesdienst einen Organisten suchen zu müssen. Dennoch ist Knörr skeptisch: Die Maschine könne nicht auf das Singverhalten der Gemeinde reagieren, bestätigt er Winklers Beobachtungen.

Fehlt nicht der Mensch, der mitatmet?

Ähnlich sieht das der Präsident des Verbands Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Bayern, Kirchenmusikdirektor Klaus Wedel. "Ob ein solches Gerät wirklich eine Entlastung für eine Gemeinde ist, wage ich zu bezweifeln", sagt er. Natürlich würden die Gemeinden damit Personalkosten einsparen. "Aber mit einem solchen Gerät wird es wohl so sein wie mit einer elektronischen Orgel", vermutet er: "Da fehlt der Mensch, der mitatmet."

Zudem mache Not auch erfinderisch, findet Knörr: Manche gestalteten die Gottesdienste alternativ mit Vokalchor, Piano, Gitarre oder Solo-Instrumenten. "Das Gotteslob wird dabei durch Menschen angeleitet, nicht durch ein Gerät", sagt er. So sei auch kaum vorstellbar, dass der Pfarrermangel Predigten vom Tonband zur Folge haben könnte.



Die bayerische evangelische Landeskirche hat aktuell 104 hauptberufliche Kirchenmusikstellen, die mit 126 Kantoren besetzt sind. Dazu sind 2.300 nebenberufliche Organisten tätig. Doch auch wenn das viel klingt - es gibt viel mehr zu tun: In den Gemeinden fallen neben den sonntäglichen Gottesdiensten Taufen, Trauungen, Beerdigungen sowie Wochengottesdienste an. Längst arbeiten die Organisten in gemeindeübergreifenden Teams zusammen.

Anzahl der Orgelschüler sinkt

Und in der evangelischen Diaspora geht es nicht mehr ohne die katholischen Kollegen, berichtet Landeskirchenmusikdirektor Knörr. Ob auch in zehn Jahren noch alle Orgelbänke besetzt werden können, kann auch sein Kollege Wedel nicht garantieren: Die Altersstruktur der Orgelspieler sei hoch, und die Zahl der Schüler sinke jährlich.

Vielleicht ist das die Chance für Holzapfels Erfindung. Denn bisher ist der Automat bei den bayerischen Protestanten nicht richtig angekommen. Von den 40 evangelischen Kunden in Deutschland sind nur die beiden Erlanger Krankenhauskapellen bayerische Abnehmer. Vielleicht, weil Orgelmusik bei den Protestanten einen besonders hohen Stellenwert habe, mutmaßt Wedel.

Und auch Knörr betont die Bedeutung der Kirchenmusik in der evangelischen Kirche: "Martin Luther räumt ihr nach der Theologie den höchsten Stellenwert ein. Sie singt und spielt das Evangelium mit der Sprache der Musik in die Herzen der Menschen."