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TV-Tipp: "Tatort: KI" (ARD)
21.10., ARD, 20.15 Uhr: "Tatort: KI"
In den letzten beiden Jahren haben die verschiedenen Fernsehfilmredaktionen der ARD ihre "Tatort"-Teams mit allen möglichen Facetten des Themas Künstliche Intelligenz (KI) konfrontiert. Auch wenn stets Menschen in die Taten verwickelt waren, so bezogen Filme wie "Hal" (Stuttgart), "Echolot" (Bremen), "Mord Ex Machina" (Saarbrücken) oder zuletzt "Tiere der Großstadt" (Berlin) ihren Reiz zu einem ganz erheblichen Teil aus dem Unbehagen gegenüber der Digitalisierung: weil die Programme einen Eigenleben entwickelten; die Geschichten machten sich also die auch von der "Terminator"-Reihe bediente Angst vor einer Herrschaft der Maschinen zunutze.

"KI", ein "Tatort" aus München, spielt zwar ebenfalls mit diesen diffusen Gefühlen, aber diesmal ist die Künstliche Intelligenz nicht Täter, sondern Zeuge: Melanie, die Tochter eines Polizisten, ist spurlos verschwunden. Ihr Vater, Robert Degner (Dirk Borchardt), ist ein früherer Freund von Batic (Miroslav Nemec) und überzeugt, dass das Mädchen Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist. Als sich Batic und Leitmayr (Udo Wachtveitl) im Zimmer der 14-Jährigen umschauen, werden sie von Melanies Laptop angesprochen. Zunächst glauben sie an einen sogenannten Chatbot, eine Plauder-Software, aber Maria, wie sie sich nennt, ist eine Künstliche Intelligenz, die zur besten Freundin des nach der Scheidung der Eltern vereinsamten Mädchens geworden ist. Als die Ermittler "Maria" die Fotos von aktenkundigen Sexualstraftätern vorlegen, identifiziert das Programm einen der Männer. Weil die Haftrichterin die Zeugenaussage nicht akzeptiert, wird er wieder freigelassen; also nimmt Degner die Bestrafung selbst in die Hand.

Das Drehbuch stammt vom erfahrenen Autorenduo Stefan Holtz und Florian Iwersen, das neben diversen Venedig-Krimis nach Donna Leon und mehreren "Kluftinger"-Folgen mit "Verlorene Sicherheit" auch die Vorlage für einen ausgezeichneten Zweiteiler aus der Reihe "Unter Verdacht" geliefert hat. In dem Thriller geht es um einen islamistischen Bombenanschlag aufs Oktoberfest, also um die äußere Unsicherheit; "KI" behandelt dagegen die innere Unsicherheit. Die beiden Ermittler stehen für den Zwiespalt im Umgang mit Künstlicher Intelligenz: Batic, wegen seiner Freundschaft zu den Degners (Lisa Martinek spielt die Mutter) ohnehin emotional engagiert, ist durchaus bereit, das Computerprogramm in die Ermittlungen mit einzubeziehen. Leitmayr, von Anfang an skeptisch, weil er davon ausgeht, dass Melanie bloß einer Teenagerlaune nachgegeben hat und schon wieder auftauchen wird, lässt sich nur widerwillig auf die Kommunikation mit Maria ein und verliert prompt regelmäßig die Beherrschung, wenn die KI abschweift, falsche Antworten gibt oder mit Gegenfragen antwortet.

Diese Ebene der Handlung ist zwar höchst reizvoll, aber auch etwas mühsam, weil sich filmisch naturgemäß nur wenig ereignet, wenn eine Person mit einem Bildschirm kommuniziert. Hinzu kommt, dass der Hintergrund der Geschichte nicht ganz einfach ist. Holtz und Iwersen reduzieren die technische Ebene zwar aufs Nötigste, aber zur Sprache kommt sie trotzdem. Umso besser war die Idee, ein junges Genie einzuführen: Janine Fautz spielt Anna, eine hochbegabte Progammiererin des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ), die maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz hatte. Maria ist allerdings eine Weiterentwicklung: Irgendjemand hat die ursprüngliche Version gestohlen. Anna ist fasziniert: Bislang seien sie beim LRZ mit einem Ferrari in der Dreißigerzone rumgefahren, aber nun hat ein Hacker das Programm von seinen Fesseln befreit.

Auch wenn diese Ebene nicht nur für Science-Fiction-Fans äußerst reizvoll ist: Spannung im Sinn von herkömmlichem Nervenkitzel hat die Handlung eher nicht zu bieten. Selbst die Verfolgung des Hackers (Thorsten Merten), der Maria auf die Welt losgelassen hat, gerät eher halbherzig. Trotzdem entwickelt der Film eine hohe Intensität. Regie führte Sebastian Marka, der einige der interessantesten "Tatort"-Episoden der letzten Jahre inszeniert hat, allen voran "Die Wahrheit" (2016), ein verstörender Münchener Krimi über die Machtlosigkeit der Polizei. Ähnlich sehenswert waren der Serienmörder-Thriller "Es lebe der Tod" mit Ulrich Tukur sowie der herausragende Film-im-Film-Krimi "Meta" aus Berlin. "KI" erzählt eine völlig andere Geschichte, deren Reiz zumindest im Subtext eher auf einer philosophischen Ebene liegt. Das zeigt sich spätestens beim letzten Zwiegespräch zwischen Wachtveitl und Maria, als er das Programm davon überzeugen will, dass Rache ein Verbrechen sei und Schaden an der Seele zur Folge habe; gefolgt von dem allerdings nur angedeuteten Diskurs, ob das Löschen einer Künstlichen Intelligenz ein Akt des Tötens ist. Dank der sorgfältigen Bildgestaltung (Willy Dettmeyer) ist "KI" aber auch optisch ein Genuss; Marka untermauert erneut seinen Ruf als Regisseur für besondere Filme.