Organspende-Experte: Deutschland ist Schlusslicht
Der Mangel an Spenderorganen ist Thema der 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin in Lübeck. Ohne eine Widerspruchslösung werde die Zahl der Organspenden in Deutschland kaum zunehmen, sagte Rainer Blasczyk, Transfusionsmediziner von der Medizinischen Hochschule Hannover, am Mittwoch zum Auftakt des dreitägigen Kongresses: "Wir sind Schlusslicht in ganz Europa." Rund 1.000 Ärzte aus ganz Deutschland nehmen am Kongress teil.

Die Bereitschaft der Deutschen zur Organspende sei groß, sagte der Institutsleiter. Trotzdem herrsche ein extremer Mangel, weil die Auseinandersetzung mit dem Thema fehle, beklagte Blasczyk.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte Anfang September eine Debatte um die Widerspruchslösung bei der Organspende angestoßen. Demzufolge soll künftig jeder Deutsche automatisch ein Spender sein, so lange er oder seine Angehörigen nicht ausdrücklich widersprechen. In nahezu allen europäischen Ländern ist diese Regelung bereits in Kraft. Kritiker, unter anderem Kirchenvertreter und der Deutsche Ethikrat, hatten den Vorstoß jedoch als unethisch bezeichnet.



Blasczyk nannte die Kritik "Unsinn". Schließlich werde die Organspende nicht zur Pflicht, sondern nur die Auseinandersetzung mit dem Thema. "Unethisch ist die Situation, wie sie jetzt ist." Die Organknappheit nötige Angehörige zur Lebendspende. Darüber hinaus würden Spenden aus dem Ausland importiert, die unter den Regelungen einer Widerspruchslösung entnommen wurden. Blasczyk: "Das ist scheinheilig."

Seit 2010 ist die Zahl der gespendeten Organe in Deutschland um etwa 40 Prozent gesunken. Somit ist die Anzahl der Spender auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren. Allein im vergangenen Jahr warteten in Deutschland 10.107 Patienten auf ein Spenderorgan. Dem standen 2.594 gespendete Organe gegenüber.