Auf einem Tisch steht ein altmodischer Fernseher
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TV-Tipp: "Der Anfang von etwas"
3.10., ZDF, 20.15 Uhr
Viele Menschen stellen sich gern vor, wie es wäre, der eigenen Trauerfeier beizuwohnen; aber nicht im Sarg, sondern unerkannt unter den Trauergästen. Der Tod wäre nicht das Ende von allem, sondern der Anfang von etwas Neuem: alles hinter sich lassen, einen Schlussstrich ziehen, ganz von vorn beginnen; anonym, irgendwo...

Für die Hinterbliebenen hingegen würde sich nichts ändern; tot bleibt tot. Und doch beschleicht Anne Hoppe (Ina Weisse) bei der Gedenkfeier für die Opfer eines zwölf Monate zurückliegenden Schiffsunglücks eine Ahnung. Unter den Toten war auch ihr Mann Harry; seine Leiche ist allerdings nie gefunden worden. Nun glaubt sie, ihn in der Kirche gesehen zu haben. Kurz drauf wird in ihr Haus eingebrochen, aber es fehlt nur ein Fotoalbum mit den Bildern von der Hochzeit. Jetzt ist Anne überzeugt, dass Harry noch lebt, zumal sie ihn kurz drauf in der U-Bahn sieht, im Gedränge am Bahnhof jedoch wieder aus den Augen verliert. Die zuständige Polizistin (Franziska Hartmann) hält die Erzählungen der Witwe zwar für Hirngespinste, beginnt aber dennoch, die Ereignisse jenes Silvesterabends vor einem Jahr zu rekonstruieren, als Harry verschwunden ist. Irgendwas ist ihrer Ansicht nach damals vorgefallen; womöglich sind es ja Schuldgefühle, die Anne umtreiben.

Das klingt nach Krimi, und in der Tat ergeben sich durch die vielen Rückblenden immer wieder neue Wahrheiten; außerdem hat Mathias Klaschka, dessen Drehbuch auf der gleichnamigen Erzählung von Siegfried Lenz basiert, bereits eine ganze Reihe vorzüglicher TV-Krimis geschrieben, allen voran für die ZDF-Reihen "Kommissarin Heller", "Neben der Spur" und "Solo für Weiss". Trotzdem ist "Der Anfang von etwas" gerade aufgrund der geschickten Konstruktion in erster Linie ein Drama, weil sich in den Rückblenden schlaglichtartig die Szenen einer Ehe entfalten. Anfangs scheint das Glück zwischen Anne und Harry (Juergen Maurer) perfekt. Regisseur Thomas Berger und sein Kameramann Frank Küpper tauchen die entsprechenden Bilder in ein warmes, anheimelndes Licht; die Gegenwart des winterlichen Hamburgs ist dagegen unwirtlich, kalt und grau. Doch auch die Idylle bekommt zunehmend Schattenseiten: Harry ist krankhaft eifersüchtig und außerdem Choleriker. Sein Jähzorn entlädt sich immer öfter in Handgreiflichkeiten. Seine Aggressionen richten sich auch mal gegen einen Kollegen, der einen lockeren Spruch zuviel gemacht hat, aber Leidtragende ist vor allem Anne. Als sie eines Tages entdeckt, dass sie schwanger ist, bedeutet das für die Beziehung einen entscheidenden Wendepunkt. Es stellt sich raus, dass die Kommissarin mit ihrer Vermutung gar nicht so falsch lag. Nun zeigt sich auch, warum Annes Beruf – sie ist Meteorologin und arbeitet beim Seewetteramt – nicht bloß eine originelle Idee ist.

Mit Juergen Maurer, der seine Figuren ohnehin gern mit einer gewissen Düsternis umgibt, und Ina Weisse sind die beiden Hauptrollen perfekt besetzt. Ähnlich namhaft sind die Nebendarsteller, selbst wenn beispielsweise Hinnerk Schönemann als Harrys Bruder bloß eine Art Gaststar ist. Auch Annes verwitweter Schwager war ein Objekt von Harrys Eifersucht, ebenso wie ihr Chef, Hendrik Evers (Johann von Bülow), der schon länger ein Auge auf sie geworfen hat. Als sie in der Gegenwart eine Nacht in seinem Haus verbringt und am nächsten Tag Evers’ Auto in Flammen steht, weiß Anne endgültig, dass ihr Mann aus dem Reich der Toten zurückgekehrt ist. Gaby Dohm hat als Annes unleidliche Mutter zwar nicht viel mehr zu tun, als die Folgen eines Schlaganfalls zu verkörpern, spielt aber dank der assoziativen Erzählstruktur eine Schlüsselrolle bei der Hinführung zum letzten Akt.

Die hohe Qualität des Films ist nicht zuletzt das Resultat jahrelanger Kooperationen. Berger hat fürs ZDF "Kommissarin Lucas" erschaffen und sich zuletzt vor allem durch die "Allmen"-Krimis der ARD hervorgetan. Klaschka hat ihm bereits die Vorlagen bei "Solo für Weiss" und eine "Neben der Spur"-Episode geliefert, Küpper ist seit Jahren sein bevorzugter Kameramann und hat gerade bei "Allmen" für eine formidable Bildgestaltung gesorgt. Ihre erste Zusammenarbeit war die Lenz-Verfilmung "Die Flut ist pünktlich" (2014). Ähnlich wie dieser ist auch "Der Anfang von etwas" ein stiller Film, der sich ganz auf seine Schauspieler und die dramaturgische Konzeption verlässt.

Für die hintergründige Spannung sorgt nicht zuletzt die Musik, die nach Szenenwechseln gern mit einem dumpfen Ton einsetzt; ein untrügliches Signal dafür, dass irgendwas nicht stimmt, selbst wenn Christoph Zirngibls Komposition zwischendurch an jene Filme erinnert, in denen die meist weiblichen Hauptfiguren zwischenzeitlich an ihrem Verstand zweifeln. Küppers Kamera wiederum beschränkt sich überwiegend darauf, die Figuren zu beobachten. Der Auftakt mit dem sturmumtosten Schiff, das zum Spielball der Wellen wird, ist allerdings ziemlich spektakulär.