Herr Mansour, Sie kritisieren eine zu große Nähe der evangelischen Kirche zu konservativen Islamverbänden.
Ahmad Mansour: Kirche ist nicht gleich Kirche - die evangelische Kirchengemeinde im Berliner Stadtteil Moabit hat zum Beispiel der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin einen Raum zur Verfügung gestellt. Doch zu dem Gottesdienst nach dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz im Dezember 2016 wurde kein einziger liberaler Muslim eingeladen. Die Veranstaltung hatte eine große Symbolkraft, deswegen wünsche ich mir, dass man auch Partner einlädt, die die Legitimation verdienen, gegen den Terror zu sprechen. Doch stattdessen hat man ganz bewusst konservative Kräfte eingeladen, die alles andere als tolerant sind. Ich beobachte, dass manche Kirchenvertreter immer wieder eine Politik fahren, bei der Vertreter der konservativen Islamverbände zu Partnern gemacht werden. Beide, Verbände und Kirchen, stärken sich gegenseitig, indem sie sich öffentlich zueinander bekennen.
Die evangelische Kirche entgegnet wiederum, dass nur durch das Gespräch Verständigung möglich ist. Ist das eine Strategie, die aufgeht?
Mansour: Absolut nicht. Die Kirche sollte nicht die Rolle übernehmen, Muslime zu Liberalen zu erziehen, das ist eine Art der Bevormundung. Zu oft sucht man das Gespräch mit konservativen Moscheegemeinden, dadurch werden andere Kräfte, liberale, ausgegrenzt. Man muss ganz genau schauen, wer zum Partner gemacht wird. Es gibt mittlerweile ausreichend öffentliche Diskussion über die anti-demokratische Ausrichtung bestimmter Verbände: Ihre Verbindungen ins teilweise undemokratische Ausland, dass teilweise Salafisten ein und aus gehen, dass die Texte im Koran nicht lokalhistorisch gedeutet werden. Die sehr rigide und problematische Geschlechterrollen, die sie vertreten. In dieser Interpretation sind die Muslime immer die Opfer und der Westen oder die Juden sind immer die Täter. Dazu kommt, dass jegliche Kritik am Islamverständnis der Verbände als Rassismus und Intoleranz abgewehrt wird. Die Kirche will nicht zu den Islamophoben gehören, deswegen gibt es diesen Schulterschluss. Es ist noch lange nicht genug, wenn die Verbände sagen: "Wir sind gegen Antisemitismus!" Wer wirklich gegen Antisemitismus kämpfen will, muss auch die religiösen Aspekte des Problems erkennen und dagegen steuern.
Wie sollte denn stattdessen der Umgang mit den Islam-Verbänden aussehen?
Mansour: Ich habe nichts gegen Dialog - ein Dialog auf Augenhöhe und der harten Worte. In dem klar gesagt wird, was funktioniert und was nicht funktioniert. Aber eine Zusammenarbeit auf der Basis von Mahnwachen und Sonntagsreden, bei denen keine Auseinandersetzung stattfindet, lehne ich ab. Ich bin nicht dafür, die konservativen Islamverbände auszugrenzen und aufzulösen. Sondern dafür, dass eine ehrliche und kritische Beschäftigung mit ihnen stattfindet - gerade auch von den Kirchen, denn sie erfüllen eine wichtige, zivilgesellschaftliche Aufgabe - jenseits von Naivität und Oberflächlichkeit.