Mitglieder der christlichen Sekte "Kirche des allmächtigen Gottes" werden in ihrer Heimat von Folter und sogar Tod bedroht.
Foto: Evangelium des Abstiegs des Königreichs
Filmszene aus einem Film "An die Tür klopfen- Christliche Filme (2018) - Wie man vom Herrn Jesus ins Himmelreich entrückt wird?" von der christlichen Sekte "Kirche des allmächtigen Gottes".
Frau Zhao, die Asylbehörde und die Kirche des allmächtigen Gottes
In ihrer Heimat ist sie von Folter und sogar Tod bedroht, sagt ihre Anwältin. Weil sie Mitglied der christlichen Sekte "Kirche des allmächtigen Gottes" ist. Abgeschoben werden soll sie trotzdem...

Am kommenden Freitag (31.8.2018) wird ein aus Deutschland kommendes Flugzeug auf irgendeinem Flughafen in China landen. Die Polizei wird warten, und Frau Zhao käme dann in Haft oder sogar ein Umerziehungslager, schreibt ihre Anwältin. Folter drohe ihr dort; andere Mitglieder ihrer Kirche seien ebenfalls in Haft gekommen, von ihnen habe man nichts mehr gehört. In einem neu erschienenen Buch erhebt ein Autor sogar den Vorwurf, gefangene Kirchenmitglieder würden in China getötet, um ihre Organe in reiche, kranke Menschen zu transplantieren.

Ein Verwaltungsrichter in Arnsberg sieht das anders. Er hat Frau Zhaos Asylantrag abgelehnt, weil sie als Mitglied ihrer Kirche in China nicht bekannt sei. Ob es für die chinesischen Behörden von Interesse ist, wenn ein Chinese mit deutschen Abschiebepapieren und einem deutschen Beamten in China landet, gehörte nicht zum Kerninteresse des Richters.

Sie glauben an die bereits geschehene Wiedergeburt Christi

Nachdem Frau Zhao sich erstmals weigerte, ins Flugzeug nach China zu steigen, indem sie sich einfach nicht bewegte, wurde ihr ein Papier zur Unterschrift vorgelegt. Darin stand, sie wolle nicht freiwillig ausreisen, seit Juli sitzt sie mit dieser Begründung in Abschiebehaft.

Frau Zhao ist nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht alt. Vor zwei Jahren kam sie mit einem Touristenvisum nach Deutschland und beantragte hier Asyl, sie sei Mitglied der Kirche des Allmächtigen Gottes (CAG), einer jener neuen spirituellen Bewegungen, die in China nur so aus dem Boden schießen. Sie glauben an die bereits geschehene Wiedergeburt Jesu, eine chinesische Frau mit Namen Eastern Lightning, die inzwischen aus China in die USA geflohen sein soll.

Gesetze gegen "evil cults" in China

Überhaupt gibt es bei den Stichworten China, Eastern Lightning, Verfolgung viel "sei" und "soll". Berichte über die CAG sind nur äußerst schwer nachzuprüfen, gelegentlich sind sie authentisch, manchmal hat wahrscheinlich auch die chinesische Staatspropaganda ihre Finger im Spiel. So soll eine Frau in einem Schnellrestaurant in Shandong totgeprügelt worden sein, weil sie sich der Missionierung widersetzte. Die Tat wurde von den allgegenwärtigen Kameras aufgezeichnet, die Täter zum Tode oder zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Während die chinesischen Behörden CAG-Mitglieder für die Tat verantwortlich machen, wies der katholische Religionssoziologe Massimo Introvigne in diesem Jahr bei einer Vortragsveranstaltung in Genf darauf hin, es handele sich bei den Tätern um Mitglieder einer anderen neureligiösen Bewegung mit einem ähnlichen Namen.

Die Zahl der Christen in China wird auf 160 Millionen geschätzt; die Hälfte der chinesischen Protestanten soll in den illegalen Hauskirchen beten, die sich nicht der staatlich sanktionierten Dachorganisation "Three-self-patriotic Movement" angeschlossen haben. Auch die Katholiken sind gespalten in die, die zum Vatikan stehen und die staatlich organisierten, die die Oberhoheit des Vatikans und der von ihm ernannten Bischöfe ablehnen. Die Kommunistische Partei hat deshalb – wie schon die Kaiser der Ming-Dynastie - Gesetze gegen heterodoxe Lehren, etwa der neuen spirituellen Bewegungen erlassen. Heterodoxe Lehren, auf chinesisch xie jiao, werden von chinesischen Webseiten gerne mit "evil cults" übersetzt. Zunehmend fährt die chinesische Regierung einen repressiven Kurs gegen die Angehörigen jener "bösen Kulte", Aktivitäten in diesen Gruppen werden mit Haftstrafen zwischen drei und sieben Jahren bedroht.

Seit 1995 wird auch die CAG als xie jiao geführt. In China soll die Kirche schon eine Million Mitglieder haben, schätzte das in Tokio erscheinende Online-Magazin "The Diplomat" schon 2014, andere Quellen gehen sogar von drei bis vier Millionen Mitgliedern aus. Wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden glauben, dass die Kirche des Allmächtigen Gottes staatskritisch ist, dann würden sie nirgendwo auf Widerspruch stoßen, und schon gar nicht bei den Mitgliedern der CAG. Die chinesische Zentralregierung gilt für die Gruppe als "großer, roter Drache", als das personifizierte Böse aus der Offenbarung. Dieser Rote Drache werde irgendwann unter der Last seiner Fehler zusammenbrechen. Umgekehrt vermuten die chinesischen Behörden vielleicht nicht ganz zu Unrecht staatsgefährdende Tendenzen in der Sekte.

Die chinesische Zentralregierung gilt für die Kirche des Allmächtigen Gottes als "großer, roter Drache".

Doch auch in Deutschland fällt die Gruppe auf. Annette Kick, Weltanschauungsbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg weiß von Mitgliedern der Kirche des Allmächtigen Gottes, die sich freikirchlichen oder pietistischen Gruppen angeschlossen haben und nach einiger Zeit begannen, ihre Gastgeber zu deren Entsetzen teils aggressiv zu missionieren. Missionierungserfolge bei Deutschen gibt es derzeit jedoch noch nicht. Das mag dem manchmal etwas skurrilen Auftreten der Gruppe zu verdanken sein, manchmal auch der strittigen Frage, ob die Gruppe bei allem Bezug zur Bibel wirklich als christlich angesehen werden kann.

Unter ungeklärten Umständen in Haft gestorben

Massimo Introvigne berichtete bei dem bereits erwähnten Vortrag, es könne "keinen vernünftigen Zweifel daran geben, dass Mitglieder der CAG dem ernsthaften Risiko ausgesetzt sind, langjährig inhaftiert zu werden, wenn ihnen nichts Schlimmeres droht". Er betrachte es als Skandal, dass Südkorea und einige europäische Länder das Risiko für CAG-Mitglieder in China nicht wahrnähmen und deshalb problemlos abschöben. Auch das Human Rights Council der Vereinten Nationen hat sich in diesem Jahr dieser Einschätzung angeschlossen und Aussagen der CAG, viele ihrer Mitglieder seien unter ungeklärten Umständen in Haft gestorben, als "glaubhaft" eingestuft. Die Verfolgung der CAG in China sei eine "der schlimmsten Verletzungen der Religionsfreiheit weltweit". Dem steht die Praxis vieler Länder entgegen, Südkorea ebenso wie Italien, Frankreich und zunehmend auch Deutschland, die Asylanträge von CAG-Mitgliedern als unbegründet zu verwerfen. Nach Einschätzung von Experten besteht gerade für exponierte CAG-Mitglieder ein erhebliches Risiko, in einem chinesischen Umerziehungslager zu verschwinden.

Während auch Frau Zhaos Eilantrag gegen die Abschiebung abgelehnt wurde, wurden zwei andere Mitglieder der Gruppe vom selben Verwaltungsrichter als asylberechtigt eingestuft. Eine Beschwerde beim Landgericht Siegen soll noch in den nächsten Tagen entschieden werden. Frau Zhaos Betreuer im Siegerland bereiten eine Petition an den Landtag vor.

Nachdenken über eine Demonstration

Die Mitglieder einer freien evangelischen Gemeinde im Siegerland fühlen sich hilflos. Frau Zhao hatte sich dieser Gemeinde im Jahr 2016 angeschlossen, sich beliebt gemacht und integriert, überall geholfen und bei Festen mitgefeiert. Inzwischen haben sie Unterschriften für den Petitionsausschuss gesammelt, denken über eine Demonstration nach. Fast zeitgleich hat die Bundesregierung die Abschiebung von Uiguren nach China wegen der staatlichen Repressionen gegen diese Volksgruppe ausgesetzt.

Frau Zhao wird am Freitag am Flughafen in Peking sicher schon erwartet. Das werden dann aber wohl keine Freunde sein.

Dieser Artikel wurde erstmals am 29.8.2018 veröffentlicht.

Nachtrag 31.8.2018: Das Landgericht Siegen hat gestern den Widerspruch gegen die Abschiebung der chinesischen Christin Zhao abgelehnt. Damit steht der für heute angekündigten Abschiebung nichts mehr im Wege – es sei denn, der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages macht von seinem Recht Gebrauch, auf die Petition der Rechtsanwältin von Frau Zhao positiv zu reagieren. Die Abschiebung ist nach Informationen von evangelisch.de für heute Nachmittag vorgesehen.

Zweiter Nachtrag 4.9.2018: Frau Zhao ist inzwischen nach China abgeschoben worden. Nach Angaben ihres Unterstützerkreises flog sie am Freitagnachmittag in Begleitung eines Bundespolizisten nach China, wo der Beamte sie den Behörden übergab. Auf besondere Kritik stießen die Umstände der Abschiebung. Die Chinesin hatte keine Chance, sich gegebenenfalls aus China bei ihren Helfern zu melden, weil ihr das Handy abgenommen und nicht wieder zurückgegeben worden war. Ihr sei auch nicht ermöglicht worden, ihre persönlichen Habseligkeiten mitzunehmen. „Ihre Kleidung liegt noch in ihrem Zimmer in der Unterkunft“, so eine Helferin. Nach ihrer Ankunft in China ist der Kontakt mit Frau Zhao abgerissen. Die Helfer gehen davon aus, dass sie zunächst von den Behörden verhört wurde, um dann in ein Umerziehungslager gebracht zu werden. Der Unterstützerkreis hält es für sehr unwahrscheinlich, dass es nochmals zu einer Kontaktaufnahme kommen kann. Selbst wenn sie nicht verhaftet worden wäre, seien ihre Lebensaussichten sehr schlecht. Sie werde auf die Hilfe anderer Mitglieder der Kirche des Allmächtigen Gottes angewiesen sein, weil sie selber weder einen Job annehmen könne noch eine Wohnung finden werde. Im Überwachungsstaat China würden auch ihre potenziellen Helfer sofort mit Repressalien überzogen.