Benno Winkler (Dietmar Bär) sucht verzweifelt nach seiner vermissten Tochter im TV-Drama "Für meine Tochter".
Foto: ZDF/Moritz Schultheiß
Benno Winkler (Dietmar Bär) sucht verzweifelt nach seiner vermissten Tochter im TV-Drama "Für meine Tochter".
"Solche tollen Stoffe werden immer seltener"
Ein Millionenpublikum kennt ihn aus dem Kölner "Tatort": Dietmar Bär gehört als Kommissar Freddy Schenk zu den dienstältesten Ermittlern im deutschen Fernsehen. Nun ist der populäre Schauspieler in einer ganz anderen Rolle zu sehen: Im TV-Drama "Für meine Tochter" (8.8., 20.15 Uhr, ZDF) verkörpert der 57-Jährige einen Witwer, dessen Teenager-Tochter sich als Flüchtlingshelferin engagiert und im syrisch-türkisch Grenzgebiet vermisst wird.
08.08.2018
Cornelia Wystrichowski

Auf der Suche nach ihr lernt der Apotheker das Leid der syrischen Flüchtlinge aus nächster Nähe kennen – die Dreharbeiten für das gesellschaftskritische Familiendrama fanden in Marokko statt. Dietmar Bär kam 1961 in Dortmund zur Welt. Nach seiner Ausbildung an der renommierten Schauspielschule Bochum spielte er Theater und hatte erste Filmrollen, unter anderem im Kultfilm "Männer". Bekannt wurde der Schauspieler, der sich privat für Kinderrechte und den fairen Handel mit der Dritten Welt einsetzt, vor allem durch seine "Tatort"-Rolle an der Seite von Klaus J. Behrendt. Dietmar Bär ist verheiratet und lebt mit seiner Frau in Berlin.

Herr Bär, das Publikum kennt Sie als "Tatort"-Star, jetzt spielen Sie in einem TV-Drama mit, das die Flüchtlingsproblematik aufgreift…

Dietmar Bär: Der Film ist ein Familiendrama mit Migrationshintergrund. Ein Vater, der sich zur Flüchtlingsthematik genauso distanziert verhält wie vermutlich viele andere in Deutschland, muss ins türkisch-syrische Grenzgebiet fahren, weil seine Tochter dort verschwunden ist. Sie ist aber keiner der radikalisierten Teenager, die in ein Trainingslager des IS gehen, sondern sie hilft den Angehörigen eines Syrers, der in Deutschland subsidiären Schutz genießt. Vor dem Hintergrund der deutschen Flüchtlingspolitik ist das alles sehr spannend.

Wie finden Sie es, dass Deutschland und die EU die Flüchtlingsströme reduzieren wollen?

Dietmar Bär: Ich glaube gar nicht, dass man da irgendwas reduzieren kann, das ist ja kein Bachlauf, den man einfach umlenkt. Da kommen Menschen in tiefster Not zu uns, und mit Blick auf unsere eigene Vergangenheit sollten wir Deutsche doch wissen, was es heißt, wenn man aus seiner Heimat fliehen muss. Ich sehe zwar auch die Probleme, vor denen die Fachleute aus dem Innenministerium und der Polizei warnen, ich habe da keine rosarote Brille auf. Aber wenn jemand zu uns kommt und um Schutz bittet, gibt es doch kein langes Überlegen, was zu tun ist. Wenn irgendjemand behauptet, dass es diesen Menschen nur darum geht, ein genauso schönes Auto zu fahren wie Sie und ich, ist das empörend.

Waren Sie 2015 auch angesteckt von der Willkommenskultur?

Dietmar Bär: Ich bin zwar nicht mit dem Fähnchen auf dem Bahnsteig gestanden, aber ich hatte begriffen, dass das funktionieren könnte, und es hat doch auch funktioniert. Wir haben jetzt 2018, und ich habe nicht das Gefühl, dass unser Land überfremdet wäre – die Ängste vieler Menschen haben sich nicht bewahrheitet.

"Da war man emotional in einer dauernden Ausnahmesituation"

Soll der Film ein Appell an die Menschlichkeit sein, die Einzelschicksale nicht zu vergessen in einer Zeit, in der über Transitzonen und Grenzkontrollen geredet wird?

Dietmar Bär: Es soll ganz einfach anspruchsvolle Fernsehunterhaltung sein. Wenn wir den Zuschauer zum Nachdenken bewegen, ist das Ziel erreicht.

Ist so eine Rolle eine willkommene Abwechslung vom "Tatort"-Job?

Dietmar Bär: Ich bin ja von Beruf Schauspieler und nicht "Tatort"-Kommissar (lacht). Diesen Titel gab es früher gar nicht, aber mittlerweile bekommt man dieses Etikett, als würde man nichts anderes auf der Welt mehr tun. Meine berufliche Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus. Ich spiele Theater, ich mache Hörbücher und Lesungen. Wenn mir dann ein Film wie "Für meine Tochter" angeboten wird, ist das schön – solche tollen Stoffe werden ja leider immer seltener.

Benno Winkler und sein Fahrer Ilkay (Adam Bay) stehen in einer zerschossenen Eingangstür. Der Drehort des TV-Dramas war Marokko.

Der Familienvater, den Sie spielen, durchlebt im türkisch-syrischen Grenzgebiet eine Odyssee, die beinahe tödlich ausgeht. Wie strapaziös waren die Dreharbeiten?

Dietmar Bär: Es war von vornherein klar, dass wir nicht in Syrien drehen würden, das wäre viel zu gefährlich für das ganze Team gewesen. Gedreht wurde in Marokko. Dort ist es sehr heiß und es waren immer sehr lange Drehtage. Es war eine der anstrengendsten Arbeiten, die ich bis jetzt gemacht habe, und das hat natürlich auch etwas mit dem Thema des Films zu tun, auf das man sich einlassen musste. Da war man emotional in einer dauernden Ausnahmesituation. Also physisch wie psychisch war ich da ordentlich in der Mühle.

"Die sind nicht als sogenannte Asyltouristen ins schöne Marrakesch gekommen"

Hatten Sie bei den Dreharbeiten auch Kontakt mit Flüchtlingen?

Dietmar Bär: Im Film kommt eine syrische Flüchtlingsfamilie vor, die in einem Camp lebt, und diese Darsteller kommen tatsächlich aus Syrien und haben einen solchen Hintergrund. Zur Familie gehört ein kleiner Junge mit seiner Schwester, die alle miteinander eine monatelange Odyssee hinter sich haben. Die sind nicht als sogenannte Asyltouristen ins schöne Marrakesch gekommen.

Im "Tatort" war die Flüchtlingskrise schon häufiger ein Thema, zuletzt gab es auch Stimmen, dass es zu viel wird…

Dietmar Bär: Es gibt zahlreiche "Tatort"-Teams, und jede Stadt oder Region beschäftigt sich auf ihre Art und Weise mit dem Thema. Es ist doch ganz normal, dass die Zeitläufte Einfluss auf die Themen von Krimis und Fernsehspielen nehmen. Die Kölner Folge "Wacht am Rhein", in der wir mit dem Stoff einmal anders umgingen, kam in der Presse gut an. Allerdings haben andere Folgen, die einfach nur ganz normale Krimis waren, deutlich bessere Quoten erzielt. Wobei mich persönlich die Quoten gar nicht so sehr interessieren. 

Warum nicht?

Dietmar Bär: Uns schauen regelmäßig an die zehn Millionen Menschen zu, das entspricht ungefähr der Bevölkerungszahl von Schweden. Ob das nun 8,5 oder elf Millionen sind, es ist doch so oder so eine tolle Zahl, da setze ich mich doch nicht mit den Rechenschieber hin. Und wenn ein Film weniger Zuschauer holt, muss er deshalb noch lange nicht schlechter sein. Manchmal ist es sogar umgekehrt. Qualität und Quote fangen beide mit Q an, aber sie haben ganz wenig miteinander zu tun, nicht nur im "Tatort".

Wie gefällt Ihnen der Sendeplatz von "Für meine Tochter", den das ZDF mitten in der Ferienzeit zeigt?

Dietmar Bär: Ich bin beeindruckt von dem Mut, einen Film mit so einem Thema zu so einem Termin anzubieten. Das Fernsehpublikum ist ja daran gewöhnt, dass in dieser Zeit Konserven laufen und erwartet gar keinen neuen Film. Aber wer weiß, vielleicht schießen die Quoten ja durch die Decke. Aber auch hier gilt für mich: Die Quote ist zweitrangig, wichtig ist die Frage, was die Menschen mit dem Film machen und ob sie am nächsten Tag über den Inhalt reden. In diesem Fall tun sie es vielleicht nicht bei der Arbeit, sondern auf dem Campingplatz oder im Freibad.