Foto: Sebastian Arlt
Die Reformation gehört allen, jedes Jahr
Warum ein bundesweiter Reformationsfeiertag eine Chance ist
Die evangelische Kirche sollte die Türen öffnen, durchlüften, zum Widerspruch einladen und selbstbewusst die eigenen Positionen vertreten, schreibt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats - und plädiert für den Reformationstag als bundesweiten Feiertag.
31.07.2018
EKD-Flugschrift Reformationstag 2018

Zehn Jahre lang Diskussionen und Debatten zum 500. Reformationsjubiläum. Jetzt reicht’s! Die Sache ist erledigt! Die nächste Beschäftigung bitte erst zum nächsten wirklich "runden Geburtstag". So erging es manchem nach dem 31. Oktober 2017. Die Reformationsdekade von 2008 bis 2017 war ein Marathon. Der Deutsche Kulturrat hat sich intensiv in die Reformationsdekade und das Jubiläumsjahr eingebracht, am Ende waren wir etwas müde und froh, dass die Dekade ihren Schlusspunkt gefunden hatte.

Und nun soll jedes Jahr der Reformation gedacht werden? Die norddeutschen Bundesländer haben den Reformationstag inzwischen als Feiertag eingeführt und eifern damit Sachsen-Anhalt nach, das den Reformationstag als Feiertag nie aufgegeben hat. Feiertagsaufholjagd auf Protestantisch oder ein Feiertag in der eher feiertagsarmen zweiten Jahreshälfte in Vorbereitung auf Weihnachten? Oder die Einsicht, dass ein fester Tag ein guter Anlass für die evangelische Kirche ist, die Hand auszustrecken in die Zivilgesellschaft, zu Kultur- und Bildungseinrichtungen? Vielleicht eine Mischung von all dem, und das kann fruchtbar und gut sein.

Denn eines hat die Reformationsdekade gelehrt, längst ist das Wissen um die Reformation und den Unterschied zwischen katholisch und evangelisch auch in der heutigen Zeit keine Selbstverständlichkeit mehr. Damit meine ich nicht nur den "normalen" und schon gar nicht den Nie-Kirchgänger, dieses Vergessen hat sich bis in die Spitze der evangelischen Kirche durchgesetzt. Nur so ist es für mich erklärlich, dass man das Reformationsjubiläum als Christusfest gemeinsam mit der katholischen Kirche gefeiert hat und dabei die bestehenden Unterschiede versucht hat zu verstecken, ohne dabei eine substanzielle Verbesserung in der Ökumene zu erreichen.

Zu den gelungenen Diskussionen in der Dekade gehört die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus Martin Luthers und mit der jahrhundertelangen Judenfeindlichkeit im Protestantismus. Hier hat die EKD gezeigt, dass Kirche die eigene Geschichte annimmt, sie einordnet und neue Kapitel aufschlägt. Hier wurde ein wichtiger Beitrag geleistet. Solche Diskussionen, thematisch vorbereitet, könnten dem jährlichen Reformationsfeiertag Substanz geben.

Die Reformatoren haben sich eingemischt. Sie haben ihre Kirche, die römisch-katholische Kirche, heftig kritisiert. Sie wollten sie von innen verändern. Nach 500 Jahren braucht auch die evangelische Kirche reformatorische Bewegung.

Wenn die Reformation allen gehören soll, gehört dazu, dass Einmischung erwünscht ist. Die evangelische Kirche sollte zur Kritik, zur Auseinandersetzung einladen. Dass dies gerade für die leitenden Geistlichen keine leichte Anforderung ist, versteht sich von selbst – wer lässt sich schon gerne hinterfragen. Eine Öffnung der Reformation in die Gegenwart und für alle, mit einem jährlichen bundesweiten Reformationsfeiertag, würde aber genau das beinhalten.

Die Türen öffnen, durchlüften, zum Widerspruch einladen und selbstbewusst die eigenen Positionen vertreten. Die Lust, den Reformationstag jedes Jahr neu zu gestalten, kann geweckt werden. Dies kann aber nur im Dialog mit anderen gesellschaftlichen Gruppen, gerade auch außerhalb der Kirche, geschehen. Die Bereitschaft der Zivilgesellschaft dafür ist vorhanden, jetzt kommt es auf die evangelische Kirche an.