Der Torraum für die Begegnungen der Ökumene und Religionen LICHTWOLKE UND CHRISTUSZELT der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen auf der Weltausstellung Reformation
Foto: Jörg Gläscher/EKD
Der Torraum für die Begegnungen der Ökumene und Religionen auf der Weltausstellung Reformation in Wittenberg.
Dahinter führt kein Weg zurück
Hinter diesen sechs Lehren aus dem Reformationsjubiläum 2017 können wir nicht mehr zurück, schreibt Margot Käßmann, Reformationsbotschafterin des Rates der EKD.
31.07.2018
EKD-Flugschrift Reformationstag 2018

Das Reformationsjubiläumsjahr 2017 hat die Lerngeschichte der Reformation sichtbar werden lassen, bei vielen Veranstaltungen im ganzen Land und in aller Welt, vor allem aber bei der Weltausstellung Reformation in Wittenberg. Dahinter führt kein Weg zurück und das wird auch Einfluss haben auf die Gestaltung zukünftiger Reformationstage. Sechs Punkte stehen dafür exemplarisch:

Die Reformation ist Weltbürgerin geworden.

War die Reformation ursprünglich eine deutsche und oberdeutsche, bald aber auch eine europäische Bewegung, so hat sie Auswirkungen in aller Welt gezeigt. 2017 wurde in Afrika, Asien, Latein- und Nordamerika gefeiert und Vertreterinnen und Vertreter von Kirchen aus aller Welt waren in Wittenberg anwesend. Das zeigt, dass nationalistisches Denken, das bei früheren Reformationsjubiläen erkennbar war, überwunden  ist und Rassismus in unserer Kirche nichts zu suchen hat. In einer Gesellschaft, die zu Nationalismus neigt, ist das eine echte Zeitansage.

Ökumene ist heute selbstverständlich gelebte Realität der Kirchen der Reformation.

Martin Luther und seine Mitstreiter kannten keine Toleranz in Glaubensfragen. Heute ist deutlich: Uns als Christinnen und Christen verbindet mehr, als uns trennt. Ökumene ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Das bedeutet nicht, dass die Unterschiede verwischt werden. Papstamt, Zölibat, Heiligenverehrung, Sakramente – da gibt es bleibende theologische Differenzen. Aber wir verstehen uns als Geschwister im Glauben in einer lebendigen Vielfalt von Kirchen.

Es gibt eine Lerngeschichte der Reformation mit Blick auf den Dialog der Religionen.

Martin Luthers Antijudaismus ist unerträglich. Allzu lange hat es gedauert, aber im Vorfeld des Jubiläumsjahres hat sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland klar von seinen Schriften über Juden distanziert. Wir wissen um die Schuld unserer Kirche in der Zeit des National­sozialismus, als sie sich nicht schützend vor die Verfolgten jüdischen Glaubens gestellt hat. Und uns ist klar, dass ein Dialog unserer Religionen eine theologische Bereicherung ist.

Mit Muslimen stehen wir am Anfang eines solchen Dialogs, das ist eine Herausforderung. Klar ist: Ohne Gespräche miteinander bleibt die Gefahr, dass Religionen Unfrieden fördern. Wir finden als Christen unsere Wahrheit in Jesus Christus. Aber wir respektieren, dass andere Menschen andere Wege zu Gott als ihre sehen.

Religion und Bildung schließen sich nicht aus.

Martin Luther ging es darum, dass Menschen selbst nachlesen können, ihr eigenes Gewissen an der Bibel schärfen. Darum hat er sie in die deutsche Sprache übersetzt. Jeder Junge, jedes Mädchen sollte deshalb lesen und schreiben lernen. In einer Zeit, in der Fundamentalismus wieder wächst, ist das ein hochaktuelles Thema. Wir dürfen Fragen stellen, wir sollen selbst denken! Die historisch-kritische Methode der Bibelauslegung ist dafür besonders hilfreich.

Frauen haben selbstverständlich Anteil an allen Ämtern der reformatorischen Kirchen.

Alle Getauften sind Priester, Bischof, Papst – das war Luthers theologische Überzeugung. Daraus wuchs in den Kirchen der Reformation schließlich im 20. Jahrhundert die Befürwortung der Frauenordination. Sie ist heute geradezu ein Kennzeichen unserer Kirchen geworden. In Wittenberg wurde das an einem Tag der ordinierten Frauen aus aller Welt sehr gut sichtbar. Diese Beteiligung aller an allen Ämtern können wir feiern und unterstreichen.

Das Leben des Christenmenschen bewährt sich im Alltag der Welt.

Luther sah im Rückzug aus der Welt, im Klosterleben keinen Sinn. Jeder Mensch übertritt Gottes Gebote, niemand führt ein perfektes Leben, alle sind auf Gnade angewiesen. Und nur diese Gnade Gottes gibt uns die Freiheit zu leben. Das wertete damals schon das Leben in der Familie, als Handwerker auf. Für heute gilt: In unserem Beruf, in Politik und Wirtschaft, in Familie und Nachbarschaft setzen wir unser Christsein um. Glaube findet nicht im Abseits, in einer privaten Nische statt, sondern er gibt uns eine Haltung in den Auseinandersetzungen unserer Zeit. Auch das ist hochaktuell.