In dem grauen Betonkomplex am Stadtrand von Genf dreht sich alles um Papst Franziskus: Der hier ansässige Weltkirchenrat empfängt am Donnerstag das Oberhaupt der katholischen Kirche. Der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Olav Fykse Tveit, gerät ungewohnt ins Schwelgen. Als "Geschenk für die Kirchen" preist der norwegische Lutheraner die Visite aus Rom. Das Geschenk kommt auch rechtzeitig zum 70-jährigen Jubiläum des ÖRK.
Am Donnerstag werden Franziskus und sein Tross um kurz nach 10 Uhr in Genf einschweben, der Stadt des Reformators Johannes Calvin und gerühmt als "protestantisches Rom". Es folgt ein eng getaktetes Programm beim ÖRK. Nach einer öffentlichen Messe mit Zehntausenden Gläubigen fliegt der Pontifex um 20 Uhr zurück. Vor Franziskus empfing der Dachverband mit 348 nichtkatholischen Kirchen nur zwei Päpste: Paul VI. erschien 1969 in der Zentrale der Ökumene und Johannes Paul II. kam 1984.
Die Aufwartung des amtierenden Papstes beim Weltkirchenrat erfolgt in ökumenisch unruhigen Zeiten - die katholische Kirche zeigt in diesen Tagen ihr konservativ-dogmatisches Gesicht. Zunächst bekräftigte der Präfekt der Glaubenskongregation, Luis Ladaria, das absolute Nein des Vatikans zu Frauenordination. Der Herr habe "keine Vollmacht" für Frauen im Priesteramt gegeben. Dann erteilte der Vatikan der Zulassung evangelischer Ehepartner bei der katholischen Kommunion eine Absage. Nicht wenige Franziskus-Anhänger im protestantisch geprägten Weltkirchenrat reagierten mit Stirnrunzeln - und Frustration.
"Franziskus ist eben doch nicht so progressiv, wie viele glauben", fasst der in Wien lehrende evangelische Theologe Ulrich H.J. Körtner zusammen. Der Ökumene habe der Papst "durch sein Lavieren, das ja auch sonst seine Taktik ist, jedenfalls geschadet". Körtner empfiehlt daher eine "realistische Ökumene", die gelassen mit den Grunddifferenzen zwischen den Konfessionen umgehen kann.
In einem anderen Punkt zeigen sowohl die römisch-katholische Kirche als auch der Weltkirchenrat tatsächlich Gelassenheit. Für beide Seiten steht ein Beitritt der katholischen Kirche zu dem Verband mit orthodoxen, anglikanischen, baptistischen, lutherischen, methodistischen, reformierten sowie vereinigten Kirchen nicht zur Debatte. Schon der schiere Größenunterschied macht eine Mitgliedschaft nahezu unmöglich: Während Papst Franziskus das Oberhaupt von schätzungsweise 1,4 Milliarden katholischen Christen ist, zählen die Gläubigen in allen Kirchen des ÖRK etwa 560 Millionen Menschen.
Ungleiche christliche Brüder arbeiten zusammen
Das katholische Übergewicht aus Rom würde in Genf alles erdrücken. Zudem vertritt die katholische Kirche einen universalen Anspruch, während die ÖRK-Mitgliedskirchen eine regionale und nationale Verankerung aufweisen. Andrzej Choromanski vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen formuliert es mit Diplomatie: "Eine Mitgliedschaft der katholischen Kirche würde beim Weltkirchenrat eine neue Realität schaffen."
Dennoch arbeiten die ungleichen christlichen Brüder zusammen. Die katholische Kirche wirkt in der ÖRK-Kommission für Glauben und Kirchenverfassung mit, die Gemeinsame Arbeitsgruppe berät regelmäßig über aktuelle Themen wie Frieden und Migration, zuletzt trafen sich die Gruppenmitglieder Ende Mai im rumänischen Targoviste. Eine handfeste Kooperation für eine bessere Welt, in der alle Menschen ein würdiges Leben führen, dürfte auch eher der Ökumene-Vorstellung des Papstes entsprechen.
In einem Brief an den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, schreibt Franziskus: "Als katholische und evangelische Christen sind wir heute gemeinsam dazu berufen, das Leid und die Not der Armen, Verfolgten und Notleidenden dieser Welt zu lindern." Der Einsatz für die Opfer fördere auch "tiefere Geschwisterlichkeit unter uns Christen". Genau diese Botschaft könnte Franziskus in Genf verkünden.