Die beschaulichen Zeitlupenbilder eines vom Pink-Floyd-Klassiker "Wish You Were Here" unterlegten Strandfestes mit riesigem Freudenfeuer wandeln sich zum Horrorszenario, als einige Festgäste inmitten des Scheiterhaufens einen Menschen erkennen. Als die Brunst schließlich gelöscht ist, stößt Friesenpolizist Jens Jensen (Florian Lukas) schockiert auf ein Detail, das er wiedererkennt: Womöglich handelt es sich bei dem verbrannten Leichnam um Vogelfreundin Klara (Katharina Wackernagel), an die er gerade erst sein Herz verloren hat. Zum Glück ist Klara jedoch quicklebendig, die Tote ist eine Mitstreiterin von ihr. Die beiden Frauen gehören zu einer Gruppe von Öko-Aktivisten, die verhindern wollen, dass der neue Tourismusbeauftragte, Torben Martmann (Götz Schubert), ein Naturschutzgebiet in ein riesiges Campinggelände umwandelt. Die Frage, wem der Tod der Frau nützt, ist somit rasch geklärt: Das Gelände gehörte ihr und ihrem Bruder (Thomas Schmauser). Der hochverschuldete Mann wäre durch den Verkauf des Grundstücks aller Sorgen ledig; aber natürlich ist die Sache viel komplizierter.
Der Reiz der Reihe liegt neben den Mordfällen vor allem in den emotionalen Verwicklungen der vier Hauptfiguren. Zwischen Jensen und seiner Kollegin Süher Özlügül (Sophie Dal) hat es anfangs geknistert wie sonst nur in romantischen Komödien. Noch amüsanter sind allerdings die Geplänkel, die sich die örtliche Apothekerin Insa Scherzinger (Theresa Underberg) mit Kommissar Brockhorst (Felix Vörtler) aus Wilhelmshaven liefert: Insas Hobby ist die Rechtsmedizin, außerdem ist sie etwas cleverer als die drei Polizisten, und obwohl der Ermittler meist schlechte Laune hat, wenn er wieder mal wegen eines Mordfalls nach Ostfriesland muss, mag sie ihn; und er sie natürlich auch. Der Krimiebene geht irgendwann ein bisschen die Luft aus, aber schon allein die Szenen mit Underberg und Vörtler machen viel Spaß, zumal gerade er seine Dialoge mit großer Süffisanz vorträgt. Bei Florian Lukas und Sophie Dal hingegen ist das Feuer erloschen; die erotische Spannung aus den ersten Filmen ist einer Art Freundschaft gewichen. Andererseits ist diese Distanz die Voraussetzung für ihre jeweiligen Liebschaften, die für zusätzliche emotionale Spannung sorgen sollen, denn auch Sühers neuer Freund (Golo Euler) ist in den Fall verwickelt: Er ist der Sohn von Martmann.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Für zusätzlichen Nervenkitzel soll ein Rückgriff auf heidnische Bräuche sorgen: Rund um die Feuerstelle finden sich Steine mit rätselhaften Symbolen, die auch an verschiedenen Stellen in der Stadt auftauchen. Verbindet man die Orte, ergibt sich ein uraltes Energiezeichen, sodass Brockhaus überzeugt ist, der Todesfall könne ein Ritualmord sein. Bei all dem Hokuspokus handelt es sich zwar bei dem für viele Krimis handelsüblichen Ablenkungsmanöver, aber immerhin sind die entsprechenden Exkurse interessant, zumal sie für einige hübsch gruselige Momente sorgen. Dank der Nebenebene kommt auch das fünfte Ensemblemitglied stärker ins Spiel: Bestatter Habedank (Holger Stockhaus) ist nicht nur Experte für die uralten Bräuche, er muss dank des sanften Drucks von Insa auch den lädierten Kommissar bei sich aufnehmen und fürchtet selbstredend, der Kommissar könne seine großzügige Cannabisplantage entdecken. Also füttert er ihn mit Haschplätzchen, was zur Folge hat, dass Brockhorst ungewohnt entspannt auftritt, obwohl er gerade seinen schlimmsten Albtraum erlebt, wie das Drehbuch von Timo Berndt allerdings erst nach einer Weile verrät. Trotz einiger überraschender Handlungswendungen, eines weiteren unerwarteten Todesfalls, vieler hübscher Dialoge und des gelegentlichen schwarzen Humors hält jedoch auch "Irrfeuer" nicht ganz, was die ersten beiden Filme versprochen haben. Die Bildgestaltung (Ralf M. Mendle) mit ihrer spannungssteigernden suggestiven Kameraführung und dem interessanten Licht ist allerdings vorzüglich.